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Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Titel: Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anonymous
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Zuhause. William erkannte sie sofort. Wie hätte er sie auch vergessen können? Ganz allein schwebte sie in einer unwirklich scheinenden, allumfassenden und endlosen Nacht, als wäre sie in diesem Nicht-Raum, in den sie geraten war, gefangen.
    Rana, Dana Frost, Tregarde … Sie alle waren dort drin, gefangen in der Konservenbüchse. Und sie litten! Einer nach dem anderen fiel dem Wahnsinn zum Opfer, welcher sie alle ergriffen hatte. Nach und nach gaben alle Crewmitglieder auf, weigerten sich ihre Gehirne, das Gesehene anzuerkennen und zu verarbeiten. Mentale Sicherungen brannten durch und jedes Bewusstsein suchte und fand Zuflucht im Vergessen, in der Ohnmacht. Jedes außer einem.
    »Was ist es nur, dass Sie immer wieder herzieht, Meister?«
    Die Stimme des Unbekannten, der vorgab Mauritio zu sein, klang so, als sei er aufrichtig interessiert. Williams körperloser Geist seufzte, öffnete einen nicht vorhandenen Mund und antwortete: »Das verstehst du nicht.«
    Ein verächtliches Schnauben erklang aus der Schwärze. »Wenn Sie sich da mal nicht irren. Gestatten Sie, dass ich rate?« Als William eine Antwort schuldig blieb, redete die Stimme weiter. »Sie träumen von diesem Ort und Zeitpunkt, weil Sie ihn nie verstanden haben. Und das ist für einen Mann wie Sie eine Qual. Sie träumen von ihm, weil der Schrecken, den Sie dort erlebt haben, Sie lähmt und daran hindert, diesen Augenblick hinter sich zu lassen. Und Sie träumen von ihm, weil aktuelle Ereignisse Sie dazu zwingen, Ihre Haltung zu überdenken und sich den Dingen zu stellen, die Sie seit Jahren unter den Teppich des Vergessens zu kehren versuchen. Sie, William Beaufort, sind feige, wenn Sie mir diese Feststellung erlauben. Und die Zeit für Feigheit ist vorbei. Die Gegenwart verlangt nach Männern der Tat.«
    Schweigen folgte diesen Worten. Schließlich hakte die Stimme noch einmal nach. »Kommt das ungefähr hin?«, fragte sie, und es fiel William nicht schwer, sich dazu ein hämisch grinsendes Gesicht vorzustellen.
    »Ungefähr«, antwortete der Mönch leise, die Augen nach wie vor auf das Schiff in der Ferne gerichtet, den einzigen Fixpunkt in der endlosen Dunkelheit, die ihn umgab. »Aber das alles ist leicht gesagt.«
    »Und nicht leicht getan?« Der falsche Mauritio lachte. »Ach, Meister, kommen Sie mir nicht mit der Mitleidstour. Wenn Sie Rücksichtnahme erwarten, haben Sie sich den falschen Gesprächspartner ausgesucht. Oder haben Sie etwa schon wieder vergessen, warum ich überhaupt hier bin?«
    »Weil du mich …«, begann William, brach aber sofort wieder ab. Es schnürte ihm die Kehle zu, allein darüber nachzudenken. Das … das war doch völlig absurd! Es ist nur ein Traum , dachte er. Ich fürchte mich vor einer Ausgeburt meiner eigenen Fantasie, wie albern! Rana würde mich auslachen, wenn sie mich so sehen könnte. Doch auch diese Überzeugung änderte nichts an seiner Angst.
    »Ja?«, fragte die Stimme süffisant. »Sprechen Sie ruhig weiter.«
    »Wer bist du?«, entgegnete William halb zornig, halb im Zweifel. »Warum bist du immer hier? Was soll das bringen? Bist du der Wahnsinn, ist es das? Werde ich jetzt wahnsinnig? Bist du ein Teil von mir, der hier geblieben ist, in diesem Moment?«
    »Ich bin der Geist von Mauritio …«
    »Papperlapapp«, sagte der Christophorer aufgebracht. »Ein Dreck bist du, und mit Mauritio Abbo hast du nicht das Geringste gemeinsam. Du bist ein Schuldgefühl, eine unangenehme Erinnerung, die an mir nagt und die ich unterbewusst bis zu diesem Augenblick in meinem Leben zurückverfolge, fünfzehn Jahre in die Vergangenheit. Ich durchschaue dich, denn du bist nichts weiter als ein Teil von mir. Du kannst mir nichts anhaben! Dies ist nur ein Traum, und du bestehst aus nichts anderem als aus Worten.«
    Abermals war es still in der Schwärze, Sekunden verstrichen. Dann erklang die Stimme wieder. »Ach ja?«, fragte sie herausfordernd. »Na, wenn Sie sich da so sicher sind, Meister William, können Sie mir doch bestimmt eine Sache erklären.«
    »Und welche soll das sein?«, fragte William ungehalten.
    »Wenn ich nur Worte und Gedanken bin, warum, sagen Sie mir, kann ich dann das ?« Die Stimme war kaum verklungen, da spürte William – trotz seiner Körperlosigkeit –, wie sich etwas an sein Fußgelenk klammerte. Erschrocken keuchte er auf. Es war absurd und nicht mit logischen Maßstäben zu beurteilen, aber in diesem einen Augenblick wusste er, dass er im Traum plötzlich einen Fuß hatte, und dass sich

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