Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes
ins Dunkel, das vernarbte Gesicht eines geschundenen Himmelskörpers. Das Licht des Doppelsterns Alpha Canoris Major fiel auf den Weg vor William und erhellte den rauen und unebenen Untergrund. Der Mönch kam sich vor, als spaziere er auf einem Vulkan, so zerklüftet und schroff bot sich das Land in dieser Höhe dar. Große und kleine Krateröffnungen säumten den schmalen Pfad, auf dem er vorwärts schritt, und ein Geröll aus Steinen bedeckte den Untergrund. Sorgsam einen Fuß vor den anderen setzend, marschierte William weiter, während erfrischender Sauerstoff in seine Maske strömte und ihm das Gehen erleichterte.
Der Schmerz kam etwa eine halbe Stunde, nachdem er den St-Garran-Krater verlassen hatte!
Ohne Vorwarnung war er plötzlich da, schlich sich in seinen Geist wie ein Raubtier an sein ahnungsloses Opfer. Bohrende Stiche in Stirn und Nacken, seine Kopfhaut fühlte sich mit einem Mal an, als stünde sie in Flammen. William stöhnte vor Anstrengung und versuchte seine Panik zu unterdrücken. Ihm war, als wolle sein Schädel zerplatzen.
Übelkeit stieg in ihm auf, und Schwindel vernebelte seine Sicht. Sirius III drehte sich vor seinen Augen wie ein wahnsinniger Walzertänzer, und Williams Magen revoltierte im Takt dazu. Nicht mehr lange, und er würde sich entleeren. Schon jetzt schmeckte William die Galle auf seiner Zunge.
Stehen bleiben , dachte er gequält. Ganz langsam jetzt. Nur nicht die Orientierung verlieren.
Mit zitternden Fingern nestelte der Mönch an den Riemen, die seine Atemmaske hielten. Er musste die Maske entfernen, wenn er sich nicht in sie übergeben wollte, doch es gelang ihm nicht. William bückte sich vor, um in die Knie zu gehen – da durchzuckte ein weiterer, stechender Schmerzschub seinen Kopf. Abermals drehte sich die Welt vor seinen Augen, und diesmal verlor William das Gleichgewicht. Seine Beine gaben nach.
Der Christophorer streckte die Arme aus, um seinen Sturz abzufedern, doch dort, wo er harten Untergrund vermutete, war – nichts! William fiel, aber nicht auf den Pfad, nicht auf den steinigen Boden.
Stattdessen stürzte er kopfüber in einen der vielen Krater, die den Weg säumten!
Hart prallte er gegen die steinerne Wand des Kegels, und der Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. Wieder und wieder drehte er sich um die eigene Achse, kullerte völlig halt- und orientierungslos in die Tiefe, während der raue Fels seine Kleidung aufriss und rote Striemen auf seiner Haut hinterließ. Auch sein Atemgerät nahm Schaden, doch William bemerkte es kaum. Eine Lawine aus Geröll bahnte sich ihren Weg ins Dunkel des Kraters, und der Christophorer-Meister war ein unfreiwilliger Teil von ihr. Verzweifelt krallte er sich an jeden Stein, jeden Vorsprung, den er ertasten konnte, doch nichts genügte, um seinen Abgang aufzuhalten. Erst ein dicker Felsbrocken, gegen den er mit der Stirn voran aufstieß, beendete seinen Rutsch, hinterließ auf seinem Kopf aber eine stark blutende Wunde.
Als der Mönch den Boden des Kraters erreichte, war er schon nicht mehr bei Bewusstsein.
*
Vor langer Zeit und in einem Land, das weit entfernt von deinem liegt, da lebte einmal ein Kridan. Vielleicht kennst du diese seltsame Rasse schon aus Holo-Aufnahmen oder Nachrichten-Übertragungen. Vielleicht hast du auch selbst schon mal einem echten Kridan gegenübergestanden und gesehen, wie komisch sie aussehen. Riesige Vögel sind sie, mit einem Schnabel im gefiederten Gesicht, Krallen an den Händen und mit Beinen, die auf absurde Weise nach hinten gebogen zu sein scheinen. Kridan halten sich für stark und mächtig, sind aber nicht einmal in der Lage, auf einem ganz gewöhnlichen Stuhl zu sitzen.
Kannst du dir das vorstellen? Selbst der mächtigste Vertreter ihrer Rasse, der so genannte Raisa, ist zu einer Handlung nicht fähig, die du schon als ganz kleines Kind gelernt hast und die du im Schlaf beherrschst!
Der Kridan, von dem ich dir heute erzählen möchte, hieß Kal-El und lebte mit seinen Eltern in einem großen Baum im Wald Krüptonna. Er war fünf Jahre alt, also vermutlich ein wenig jünger als du, und hatte gerade die Mauser hinter sich, als etwas geschah, das Kal-Els Leben nachhaltig beeinflussen sollte.
»Sohn«, sprach sein Vater eines Tages, und die Blätter des Baumes raschelten beim Klang seiner festen und krächzenden Vogelstimme. »Es ist an der Zeit, dass du lernst, wie man fliegt.«
Kal-Els Herz machte einen Satz, als er dies hörte – aber nicht vor Freude. Lange
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