Sternenfaust - 120 - Die Welten der Erdanaar
beklagen haben. Dies wäre zu vermeiden gewesen. – Doch nun erhebt euch, Weise von Boraan. Die Zeit steht nicht still, und es ist noch viel zu tun.
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Siehe diese Männer und Frauen, Izanagi! Sie bilden den Rat des Allvolks der Alendei. Das ist der höchste Rat, den wir haben. Unter ihm stehen die Räte der Planeten, auf denen die Alendei siedeln – so auch der Rat von Helemaii’nu.
Es ist dämmrig in diesem Saal. Doch ich erkenne erhabene Züge in diesen Gesichtern. – Wozu dienen all die … Gespinste?
Gespinste, sagst du. Es ist lebendiges Kelaari. Sieh genau hin, und du wirst den mattgrünen Farbton ausmachen. Dieses Kelaari darf nie absterben, und eine besondere Schar von Alendei trägt allzeit Sorge für das Kelaari dieser Hallen, sei es bei Tag oder Nacht. Es ist eine hohe Kunst, in altes Kelaari frische Kulturen so einzufügen, dass sich beide verbinden. Das Ratsgebäude besteht seit unzähligen Umläufen, und nie kam seine Umbildung zum Stillstand. Es gab und gibt die Ansicht bei manchen Alendei, das natürliche Absterben des Kelaaris zuzulassen, um den Sälen eine feste Form zu geben. So gehört Yonar zu jenen, die in dieser Hinsicht mit der Tradition brechen wollen, was ungewöhnlich für ihn ist. Am Ende aber hat sich immer das Althergebrachte durchgesetzt, und so wird bis auf den heutigen Tag für das Kelaari gesorgt. Das Leben ist zu wahren, und das Ratsgebäude des Allvolks der Alendei gibt diesem Grundsatz Ausdruck.
Izanagis Wahrnehmung hatte sich mittlerweile an das schummrige Licht gewöhnt. Die Ratsmitglieder saßen mit untergeschlagenen Beinen auf flachen Kissen und bildeten einen Kreis, in dessen Mitte ein ebensolches, aber unbesetztes Kissen lag. Sie hielten ihre Augen geschlossen und wirkten konzentriert. Der von einem schwachvioletten Dämmerlicht erfüllte Saal zeigte unregelmäßige Ein- und Ausbuchtungen. Pflanzenartige Auswüchse und Wucherungen waren überall zu erkennen. Manche von ihnen waren stark wie Lianen, und andere erinnerten an fein gefiederte Wurzeln.
Dort, in der Mitte des Kreises, ließ sich Turanor vernehmen, saß ich noch vor wenigen Augenblicken. Und zuvor weilte Yonar dort. Der Rat des Allvolks der Alendei trat mit jedem von uns für geraume Zeit in enge Verbindung und erforschte die Tiefen unseres Seins. Denn Mutalaar, der Älteste seines Volkes, der die Alendei so viele Umläufe lang geführt hat, ist unlängst auf die andere Seite gegangen. Unser Volk braucht einen neuen Anführer, und unter all denen, die infrage kamen, sind Yonar und ich schließlich übriggeblieben. Es waren auch solche der Meinen ins Auge gefasst worden, die einen Anderen in sich trugen – was in der Geschichte meines Volkes nur sehr selten vorgekommen ist. Doch niemals ist ein Alendei, der einen Anderen in sich trug, zum Ältesten seines Volkes ernannt worden. Diejenigen der Meinen, die eine solche Verbindung eingegangen waren, zeigten zwar außerordentliche Fertigkeiten und strahlten ein eigentümliches inneres Glücksgefühl aus, doch war ihre Befähigung, den Willen der Gemeinschaft sowohl zu erspüren als auch zu leiten, begrenzt. Denn sie standen in gewisser Weise in ständigem Austausch mit sich selbst. So sind also Yonar und ich am Ende übrig geblieben. Dem höchsten Rat der Alendei erscheinen wir beide gleichermaßen geeignet, und die Entscheidung wird ihm nicht leicht.
Dies muss sehr aufregend für dich gewesen sein.
Verstehe die Alendei richtig, Izanagi. Wir nehmen unsere Aufgaben ernst und bemühen uns, sie mit ganzer Kraft zu erfüllen. Je umfassender die Aufgaben aber sind, desto größer ist auch die Last, die man zu tragen hat. Doch wir fliehen keine Last – denn dies hieße, aus der Pflicht zu treten. So kreisen denn auch die Gedanken, die ich mit Yonar in einem Nebengelass austausche, um das Wohl und die Zukunft unseres Volkes. In wenigen Augenblicken wird mich der Stimmenchor des Rates zu sich rufen, und ich werde Yonars Freude empfinden. Sie wird nicht so sehr mir als vielmehr dem Allvolk der Alendei gelten. Denn Yonar ist überzeugt davon, dass ich dazu bestimmt bin, unser Volk zu führen. Nur wenige Augenblicke trennen mich von dem feierlichen Moment, in dem man mir die goldene Schärpe umlegen wird. Man wird mir den Titel verleihen, mit dem das Oberhaupt aller Alendei benannt wird. Ich werde Ältester meines Volkes sein.
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Institut für Telepathie an der Brüderschule. Bericht über die Begegnung mit dem Erdanaar Turanor im August 2270.
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