Sternenfaust - 134 - Die Wahrheit über Dana Frost
vom Tisch auf und setzte sich im Schneidersitz auf Danas Bett.
Sie betrachtete Daniel. Er war so jung. Er sollte voller Tatendrang sein, seine Umwelt zu erforschen, sich daran stören, an diese Einrichtung gefesselt zu sein und keinen Kontakt zu irgendjemandem in seinem Alter zu haben. Oder überhaupt zu jemandem, abgesehen von ihr, seiner Therapeutin und den behandelnden Ärzten.
»Hast du nie das Bedürfnis, von hier wegzugehen?«, fragte sie. »Ist das für dich alles so in Ordnung, was hier mit uns geschieht?«
»Wie meinst du das? Man versucht nur, uns zu helfen.« Daniel schlug die Augen nieder und seufzte. »Auch wenn viele der Ärzte und Pfleger meinen, es sei hoffnungslos.« Er machte eine Pause und sah aus dem Fenster. Dana folgte seinem Blick, aber dort draußen gab es nichts Besonderes zu sehen.
»Sie haben Angst, weißt du?«, fuhr der Junge fort. »Angst, es könnte auch sie erwischen. Angst davor, dass es niemals ein Heilmittel geben wird. Manche sind auch froh. Ihre ständige Furcht, morgen schon von einem besseren Genetic mit noch besseren Fähigkeiten überholt zu werden, ist einer Schadenfreude gewichen.«
»Dann weißt du, dass die Krankheit nur bei bestimmten Genetics auftritt?«
»Geheimnisse sind selten vor mir sicher«, meinte er lächelnd und tippte sich an die Schläfe. »Ich weiß, dass die Krankheit nur bei besonders weit modifizierten Individuen auftritt. Bei Leuten wie mir .« Da lag viel zu viel Bitterkeit in dem Wort »mir«.
Aber es ist nicht nur das. Es ist nicht nur deine Fähigkeit, die dich so hat werden lassen , ging es Dana durch den Kopf. Wir alle müssen uns mit unseren Dämonen herumschlagen. Was, Daniel, sind deine?
»Wie sah eigentlich dein Leben aus, bevor du … krank wurdest?«, fragte Dana vorsichtig. »Wo hast du gelebt? Was hast du gemacht? Was ist mit deinen Eltern?«
Daniel schien die Position des Schneidersitzes auf Danas Bett zu unbequem zu werden. Er rutsche nervös von der Matratze, stand einen Moment – unschlüssig auf den ehemaligen Captain der STERNENFAUST blickend – neben dem Nachttisch und setzte sich dann doch wieder. Seine Beine baumelten kraftlos an der Seite des Bettes herunter.
»Eltern.« Er atmete tief ein und verschränkte die gehobenen Hände auf dem Hinterkopf. »So etwas können auch nur ›Natürliche‹ wie du fragen. Weißt du, wie hoch der Prozentsatz meines Jahrgangs ist, der noch leibliche Eltern hat? Oder auch nur einen Elternteil?«
Dana schüttelte den Kopf. Das wusste sie in der Tat nicht.
»Acht«, gab Daniel selbst die Antwort. »Acht Prozent. Ich bin einer dieser acht Prozent. Ich habe also eine natürliche Mutter. Was die Väter angeht, so habe ich wahrscheinlich unzählige. Oder gar keinen. Einen natürlichen Vater, den hatte ich jedenfalls nie.« Er machte eine kurze Pause, als ihm er etwas zynisch hinzufügte: »Eine Mutter reicht mir auch völlig. Eltern werden bei euch Natürlichen überschätzt.«
»Du hast wohl vergessen, dass ich keine Natürliche mehr bin!«
Daniel zuckte mit den Schultern. »Meist sind Eltern nur ein Hindernis. Sie wollen nicht das Beste für den Nachwuchs, sondern das Beste für sich. Sie verhindern die freie Entfaltung.«
»War das bei dir so?«
»Jahrelang, eigentlich soweit ich zurückdenken kann, hat mir meine Mutter gesagt, ich sei etwas Besonderes. Ich würde es einmal besser haben als all die anderen, die nach ein paar Jahren durch ein besseres Genetic-Modell ersetzt werden. Die dann von den Almosen derjenigen leben müssen, die frisch und unverbraucht sind. Aber ich, ich sei das Beste vom Besten!« Er hob mahnend den Zeigefinger der rechten Hand. »Ich bin die Elite! In jeder Hinsicht perfekt. Das Klügste, das die Genetics je vollbracht, haben! Die neuste Generation, bis zu einem Level optimiert, das man so schnell nicht mehr steigern kann! Glaubte sie! Leute wie mich, so meinte sie, würden immer gebraucht. Ich müsste mir nie Sorgen um meine Zukunft machen!«
Dana war überrascht von dem Maß an Bitterkeit und Wut, die sich in dem Jungen aufgestaut hatten. Noch mehr überraschte sie aber der trockene, fast emotionslose Tonfall.
Mal ist er das kleine Kind, und mal wirkt er erwachsener, als ich mich je gefühlt habe. Dana kam ein Gedanke, woran das liegen konnte.
»Wie alt bist du, Daniel?«
»Fast fünf Erdenjahre!«, antwortete er. Danas zweifelnder Blick ließ ihn nur den Kopf schütteln. »Du ahnst doch längst den Grund! – Wachstumsbeschleuniger!«
Richtig
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