Sternenfaust - 138 - Tyrannenmord auf Kridania
bedeutungslos? Der Prediger Satren-Nor hatte keine Macht mehr über ihn, sein Leben und den Palast.
Alles, was zählte, war der Heilige Krieg. Er musste diesen Krieg gewinnen, und die Vergnügungen mit Lera-Taris hatten ihm geholfen, ruhiger zu werden. Die angespannte Nervosität war gewichen. Er fühlte sich gelöst. Sein Körper wurde von ruhiger Wärme durchpulst, die ihm anzeigte, dass alles gut war.
Der Krieg musste weitergehen. Er musste siegen. Und wenn er alle Kridan dafür einzog, ganz gleich welchen Alters und Geschlechts. Ja, vielleicht war es an der Zeit, auch die Eierlegerinnen in die Schlachten zu schicken. Damit hätte er auf einen Schlag die doppelte Zahl an Kriegern zur Verfügung. Er musste mit Farun-Dan darüber sprechen. Der Erste Wächter war ein fähiger Kopf, ein wahrer Berater. Vielleicht sollte er ihn zum Les-ta erheben, zum Ehrengeneral?
Das achteckige Dera-Wiedergabe-Gerät stoppte, der Klang der Flöte verstummte.
Seran-Pakor fühlte sich glücklich. Er war auf dem richtigen Weg. Gott schickte ihm alles, was er brauchte, denn er war der Erwählte. Der Heilige Raisa. Der göttliche Abgesandte und Erste Führer des Volkes.
»Ich führe mein Reich in den Sieg«, flüsterte er kaum hörbar. »Schon bald werden mir alle Schnabellosen zu Füßen liegen.«
*
Sun-Tarin ging gemeinsam mit Kassil-Nur und Satren-Nor zu der geheimen Tür in der Wand. Laut Kassil-Nur hatte der schleimige Farun-Dan das Gebäude verlassen. Sun-Tarin hoffte inständig, dass er sich nicht mit einem Gleiter auf den Weg zu seiner Familie machte, um zu überprüfen, wo sich sein Ei-Vater, sein Onkel und dessen Söhne befanden. War er auf die Verkleidung hereingefallen? Oder misstraute er Sun-Tarin noch mehr als zuvor?
Satren-Nor drückte ihm das weite Gewand eines Tugendwächters in die Hand. Sun-Tarin schlüpfte hinein und hob die breite Kapuze über den Kopf. Es war ein Frevel, dieses Gewand als Verkleidung zu missbrauchen, doch es war notwendig, sich zu tarnen. Farun-Dan konnte Überwachungskameras installiert haben oder das Gebäude observieren lassen.
Hinter den beiden Verschwörern, die ebenfalls die Gewandungen von Tugendwächtern trugen und sich die Kapuzen bis zum Schnabel gezogen hatten, trat er aus einem Nebenausgang des Gebäudes. Im Eilschritt erreichten sie den privaten Gleiter, von dem Satren-Nor gesprochen hatte. Der Pilot schien sie bereits zu erwarten, denn kaum gingen sie auf das Fluggefährt zu, begannen die Antriebe leise zu summen.
Der Innenraum des Gleiters war klein, bot aber genug Raum für drei Kridan.
Während sich die dreieckige Luke hinter ihnen schloss, nahm Sun-Tarin auf einem der freien Sitze Platz. Er sah Milgor, der in einem geflochtenen Korb aus Lancahalmen lag und offensichtlich schlief. Das lemurenartige Haustier des Predigers Satren-Nor sah alt aus. Es begleitete den Prediger schon seit vielen Jahren und wies eine gewisse Intelligenz auf. Außerdem hatte es zu sprechen gelernt.
Satren-Nor setzte sich auf den freien Platz neben dem gut befestigten Lancakorb. Er blickte ebenfalls auf Milgor.
»Er hält mir immer wieder einen Spiegel vor«, sagte der Prediger liebevoll. »Ich werde nicht jünger, Sun-Tarin, aber du hast noch ein paar Jahre vor dir. Ich verstehe deine Bedenken, dich unserer Sache anzuschließen.«
»Es geht mir auch um meine Schwester. Um meine Familie. Sie alle werden in Schande hingerichtet oder müssen als Ausgestoßene leben, wenn ich zum Verräter werde.«
Satren-Nor senkte den Schnabel. »Das ist wahr. Aber es geht auch um das gesamte Volk von Kridania. Du bist ein ehrenwerter Kridan. Ein Krieger. Immer hast du Opfer gebracht. Nun fordere ich von dir das größte Opfer. Kannst du es bringen?«
Kassil-Nur scharrte unruhig mit seiner Fußkralle. »Du klingst so pathetisch, Prediger, aber ich will auch etwas dazu sagen.« Der ehemalige Geheimdienst-Chef sah Sun-Tarin direkt in die Augen. Dieser wich seinem Blick aus und sah aus dem dreieckigen Fenster, hinunter auf die Wohntürme der Hauptstadt Matlanor, und den regen Verkehr. Er ahnte, was Kassil-Nur ihm zu sagen hatte, und er wollte es nicht hören.
»Wir werden diesen Krieg verlieren«, sagte Kassil-Nur hart. »Und die Prognosen, wie es mit unserem Reich weitergeht, sind düster. Uns droht die vollständige Vernichtung. Die Ausrottung. Ich weiß nicht, wie ich dir das begreiflich machen soll, Sun-Tarin, aber wenn diese Mission scheitert, wird es keine Zukunft mehr geben. Für niemanden in diesem
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