Sternenfaust - 141 - Spuren im Weltraumfriedhof
Commander Austen trocken und zoomte den Gegenstand heran, der sich wiederum nur als das metallene Bruchstück eines Schiffes erwies. »Die um 0,02 Gigahertz erhöhte Grundstrahlung scheint unsere Materie-Scanner nicht zu tangieren. Dafür aber unsere Bioenergie-Scanner«, fügte der Ortungsoffizier hinzu. »Ihre Funktion ist ganz offensichtlich gestört. Entweder sie zeigen gar nichts an – was mit den Gegebenheiten hier wohl korrespondieren dürfte –, oder sie liefern völlig aberwitzige Werte. Die Intervalle zeigen hierbei kein erkennbares Muster.«
»Glücklicherweise benötigen wir die Bio-Scanner nicht«, brummte Vincent. Er hatte es sich im Kommandosessel bequem gemacht und blickte auf das matt schimmernde Wrackteil, das langsam aus dem Erfassungsbereich des Bugteleskops glitt. »Dieser Schiffsfriedhof ist so tot wie jedes einzelne der Materiekörnchen, die hier seit Jahrtausenden herumschwirren«, sagte Vince gedehnt. Der Anblick der Trümmerteile, die zum Teil in langsamer Rotation begriffen waren – und dies vermutlich seit Ewigkeiten –, übte eine seltsame Wirkung auf Vincent aus. Diese Reste von Raumschiffen bargen ein uraltes Geheimnis, und zugleich bargen sie auf indirekte Weise den Schrecken der Zerstörung, die vor Urzeiten hier stattgefunden haben musste. In der Ferne leuchtete das Zentrum der Galaxis, und das Licht dieser massiven Sternansammlung reichte hier gerade noch aus, um von den Bruchstücken an diesem unheimlichen Ort reflektiert zu werden. Wie viele intelligente Wesen mochten hier gelitten, gekämpft und gehofft haben, nur um am Ende dann doch zu sterben? Wiederholten sich nicht durch alle Zeiten die starken Emotionen, mit denen das Lebendige am Leben und Überleben hing, nur um sich am Ende um die irrationale Hoffnung des Weiter und immer weiter betrogen zu sehen? Dieser Ort hier war ein Endpunkt sämtlicher Hoffnungen, und doch schienen die uralten und immer gleichen Hoffnungen des Lebendigen wie Gespenster zwischen den Trümmerteilen zu schweben …
»Ortung!«, rief Commander Austen. »Ich messe ein Objekt mit Quallensignatur an, das erheblich mehr Masse aufweist als alles, was wir bisher gefunden haben.«
Auf dem drei mal vier Meter großen Hauptdisplay erschien ein Objekt, das in gewisser Weise an den quergelegten Turm einer gotischen Kathedrale erinnerte – nur dass die geriffelten »Turmspitzen« zu beiden Enden aus dem lang gestreckten Körper ragten. Es handelte sich um jeweils vier im Quadrat angeordnete Spitzen, aus dessen Mittelpunkt eine fünfte, längere Spitze hervorstach. Allerdings war diese mittig platzierte Zinke am rechten Ende um einiges kürzer als auf der gegenüberliegenden Seite und wirkte wie abrasiert. Aggregate, die irgendeinem bekannten Antriebssystem geähnelt hätten, waren nicht auszumachen. Doch das musste nichts bedeuten – man hatte auch schon Wracks anderer Schiffstypen gefunden, die mit den herkömmlichen Vorstellungen bemannter Raumfahrt nur schwer in Einklang zu bringen gewesen waren. Das Schiff wies eine Vielzahl kleinerer Beschädigungen auf, die nicht unbedingt von Kampfhandlungen herrühren mussten, sondern auch die Folge von Meteoriteneinschlägen oder umherfliegender Trümmer sein konnten.
»Länge des Schiffs 274 Meter. Lokalisierung der spezifischen Materialveränderung am rechten Ende. Hexagonaler Gittertyp, spezifisch gesenkte Anzahl an Valenzelektronen. Entspricht exakt den Daten von Karalon. Wenn dieses Schiff von einer Qualle attackiert worden ist, so hat sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die rechte Langspitze weggestrahlt und ihre charakteristische Signatur auf dem Stumpf hinterlassen.«
»Danke. Können Sie eine Altersbestimmung vornehmen, Commander Austen?«
»Wahrscheinlich, Sir. Ich messe eine schwache Alphastrahlung. Initiiere Messung mittels Uran-Blei-Methode. Kann einen Moment dauern, Admiral.«
Vincent erhob sich aus seinem Sessel und trat neben Captain Mulcahy an das Geländer. Täuschte er sich, oder war da nicht eine Unregelmäßigkeit in der Struktur auszumachen, die nichts mit den vielen kleinen Einschlägen zu tun hatte? »Zoomen Sie bitte ein Stück heran, Commander Austen.«
»Jawohl, Sir.«
»Sehen Sie das, Captain?«
»Ja, Admiral. Das Schiff wirkt, als wäre es – als wäre es aus den Nähten geplatzt.«
»Ganz meine Meinung. Die Metallplatten dort stehen bestimmt zwanzig Zentimeter über. Wenn es die innere Rumpfhülle ebenfalls erwischt hat – sofern das Schiff über eine verfügt –, muss die
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