Sternenfaust - 148 - Herrscher der Orphanen (2 of 2)
mehr als graue Materie. Wanbdis autarke Intelligenz hatte stets für entspannende Echtzeit-Projektionen in den Räumen und Gängen des Kubus gesorgt. Die Wälder Zintkadans, die bezaubernden Küsten und Meeresbuchten des grünen Planeten, ferne Sternensysteme, glühende intergalaktische Nebel, vor denen halbtransparente heptagonale Fluid-Kunstwerke spielten – all das war mit einem Mal verschwunden, und das Grau der nackten Wirklichkeit starrte die Bewohner Wanbdis an.
»Wir müssen weiter, Matai Kai! Unser Junge!«
»Ich komme … ich komme mit dir, Mato Kin.«
Der Wissenschaftler stieg über einen älteren Mentor, der sich noch nicht vom Boden hatte aufrappeln können. Die Zeit war zu knapp, um ihm zu helfen, was Mato Kin einen Stich ins Herz gab.
Das Paar erreichte den abwärtsführenden Antigrav-Lift und sprang hinein. Es hielt sich bei den Händen, während es sanft sank. Auge blickte in Auge – die Zuversicht des einen suchte die Furcht des anderen zu mildern. Fest hielt Mato Kin die Hände seiner Frau umschlossen.
Wenn sie doch nur schneller sinken würden!
Als ob dieser Wunsch die Ironie des Schicksals auf den Plan zu rufen vermocht hätte, vernahmen die beiden Mentoren eine gewaltige Detonation und wurden gegen die Wand des Lifts gedrückt.
Im nächsten Augenblick beschleunigte sich ihr Fall, und sie schrammten an den Verkleidungsplatten entlang in die Tiefe. Die Antigravitation war offenkundig ausgefallen, doch die Liftwandung glitt nur halb so schnell an ihnen vorbei, wie das normalerweise der Fall gewesen wäre. Anscheinend befand sich Wanbdi im schnellen Sinkflug, was die relative Fallgeschwindigkeit des Paares verlangsamte. Doch selbst wenn sie schneller gefallen wären, hätte keine direkte Gefahr bestanden, da das automatische Personen-Sicherungssystem noch funktionierte.
Zwei Fluid-Seile schossen aus der Wandung, jagten den Fallenden nach, schlangen ihre Enden um die Taillen der Verunglückten und zogen sich gummiartig in die Länge, bis der Fall sanft und zur Gänze gestoppt war. Dann kontrahierten die Fluid-Seile ebenso sanft wie sie sich zuvor in die Länge gezogen hatten und beförderten die beiden Mentoren exakt bis auf die Höhe des nächsten Ausgangs, der drei Ebenen unter ihrem Einstieg lag.
»Alles in Ordnung mit dir, Matai Kai?«
»Ja, mir geht es gut.«
Anstatt die Halterung zu ergreifen, mit der sich Mato Kin in den Lift-Austritt hätte ziehen können, fasste er die an der Wandung befestigte Notfall-Leiter, die sich über die gesamte Länge der Röhre erstreckte. »Lösen«, sagte er, und das Fluid-Seil entrollte sich mit rasender Geschwindigkeit, gab Mato Kins Taille wieder frei, jagte wie eine Peitsche in die Höhe und verschwand in seiner Öffnung.
»Ich steige hinab, Matai Kai. Verlasse du bitte den Lift und laufe zum nächsten Tor.«
»Nein. Ich komme mit dir, Mato Kin.«
Schon wollte die Frau des Wissenschaftlers die Leiter ergreifen, als eine weitere schwere Detonation den Kubus erschütterte. Im nächsten Augenblick schwang Matai Kai wie ein Pendel am Fluid-Seil, und ihr Mann hielt sich krampfhaft an der Leiter fest. Über ihnen lösten sich Verkleidungsplatten und segelten nur knapp an den Beiden vorbei. Die fallenden Verschalungsteile touchierten die Gangwände und verursachten ein hässliches metallisches Geräusch. Mit Entsetzen machte Mato Kin weit unter sich ein grelles Licht aus, dem sofort ein grollender Donner folgte. Eine Feuerwalze fraß sich rasend schnell in die Höhe.
»Raus hier!«, schrie Mato Kin, ergriff den Austrittsbügel, zog sich in den Gang, schnappte sich Matai Kai und riss sie aus dem Lift, der in diesem Augenblick zu einem Kamin wurde und seine Feuerflocken in den Gang sprühte.
»Lösen!«, schrie Matai Kai, doch das brennende Fluid-Seil gehorchte nicht mehr. Wie besessen schlug Mato Kin auf die Flammen, die nicht nur das Seil, sondern auch das Gewand seiner Frau erfasst hatten. Dicker Rauch füllte den Gang, und Mato Kin klopfte hustend das Feuer aus. Matai Kai schien nicht ernsthaft verletzt zu sein.
»Du brennst!«, schrie sie und hustete. Tatsächlich züngelten Flammen um den unteren Saum seines Übergewands. Mato Kin riss es herunter und warf es von sich. Dann beugte er sich zu seiner Frau herunter und löste mit seinen Händen das verkohlte und immer noch dampfende Seil. Er achtete nicht auf die Brandwunden, die er sich zuzog.
»Bist du verletzt, Matai Kai?«
»Es geht schon.«
Der Wissenschaftler half seiner Frau auf die
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