Sternenfaust - 148 - Herrscher der Orphanen (2 of 2)
Füße. Beißender Qualm machte das Atmen schwer. Beide zogen sich den Kragen ihres Untergewands über Mund und Nase.
»Komm, Frau.« Mato Kin fasste seine Gemahlin unter und zog sie mit sich über den Gang, in dem es sich kaum noch atmen ließ.
Die Fluid-Energie war erloschen, sodass Mato Kin immer wieder – wenn die Rauchschwaden es gerade zuließen – weite Einblicke in die Wohnungen zu beiden Seiten des Gangs erhielt. All die Kleinigkeiten, die erst das Private von Räumlichkeiten schufen, zeigten sich wie auf dem Präsentierteller. Dies hatte etwas Entsetzliches an sich. Wie aufgerissen erschien nun das beschauliche Leben Wanbdis. Als ob der heranschleichende Tod die Bewohner entkleidete, sie nackt vor sich hinstellte und ihnen bedeutete, dass Würde eine Illusion sei. So musste auch Matai Kai empfinden, denn immer wieder stockte ihr Gang, und Mato Kin war gezwungen, sie sanft fortzuziehen.
Als Wanbdi, das von den Schiffen der Ptehdeska abgeschossen worden war, auf Zintkadan prallte, wurde eine so große Energie freigesetzt, dass Mato Kin Wayat und seine Frau beinahe bis zur Gangdecke flogen. Die untere Hälfte des Wohnwürfels wurde einfach zusammengedrückt.
Zweihundertfünfzig Wohn-Ebenen pressten sich in wenigen Sekunden ineinander. Stahlträger und Kunststoffe barsten in infernalischem Krach. Mato Kin Wayat warf sich über seine Frau, die – ebenso wie er selbst – hart auf den Gangboden geschlagen war. Teile der Deckenverkleidung regneten auf sie nieder, und der entsetzliche Lärm, mit dem Wanbdi barst, schien kein Ende nehmen zu wollen. Noch Minuten später knackte das Gebäude, als ob seine Knochen brächen. Die unteren tausend Meter des Wohnwürfels waren auf ein Zehntel zusammengepresst worden und bildeten eine Melange aus Metall, Polymeren und dem Blut und Gewebe derjenigen Mentoren, denen es nicht mehr gelungen war, ein Tor zu erreichen.
*
»Sechs Stück«, sagte Mato Kin Wayat. »Nicht mehr. Wir beginnen zunächst mit sechs Stück!«
»Wieso nur sechs Stück?«, fragte Ingenieur Talico Kin Sunca.
»Heliaca hat so entschieden. Die Zahl soll klein sein, da die Furcht Heliacas groß ist.«
»Diese Furcht ist unbegründet«, sagte Talico Kin Sunca.
»Sie ist es«, stimmte Mato Kin zu. »Doch der Wissenschaftsrat kann seine Zweifel nicht überwinden. Heliaca sagt, dass die Zahl Sieben nicht beschädigt werden darf. Offensichtlich hält Heliaca einen Misserfolg für möglich und hat sich deshalb für lediglich sechs Orphanen entschieden.«
»Nun gut.«
»Ist alles vorbereitet?«
»Ja, Mato Kin Wayat.«
»Wir haben alles tausend und tausend Mal durchgerechnet. Wir haben sowohl den Produktionsprozess als auch die Aktionsbreite der Orphanen unzählige Male simuliert. Und öfter noch haben wir den temporären Aktionsradius berechnet. Ich bin mehr als zuversichtlich, dass wir das Richtige tun. Beginnen Sie nun mit der Pre-Initialisierung, Talico Kin Sunca!«
»Ja, Mato Kin Wayat.«
Der Ingenieur machte einige Schritte über die fünfhundert Meter hoch schwebende Plattform und erreichte den Fluid-Bereich. Es hatte den Anschein, als ob Talico Kin Sunca in bläulich schimmerndem Quecksilber versank. Das Antigrav-Feld würde ihn sicher nach unten bringen.
Mato Kin blickte auf die einhundert Meter durchmessende Kreisfläche, die den oberen Abschluss eines der vielen Produktionszylinder bildete. Diese Fläche war mit Millionen winziger Materie-Emitter und Hunderten von Antigrav-, Laser- und Magnetformern bestückt. Es war eine nanotechnische Produktionsanlage, wie es sie kein zweites Mal in der Galaxis gab. Und Mato Kin stand hier, fünfhundert Meter über dem Boden, als Initiator und Chefwissenschaftler des Projektes Ewiger Friede .
Nun war es endlich so weit. Nun hatte auch Heliaca sich nicht länger verweigern wollen.
Die Wissensvernichter hatten den offenen Krieg gegen die Mentoren begonnen. Zahlreiche Dienervölker waren bereits im Namen der Wissensvernichter über die Welten der Mentoren hergefallen. Und ebenso hatten die Mentoren viele verbündete Völker zum Gegenschlag bewegen können. Es herrschte Krieg in der Galaxis – niemand konnte das mehr leugnen.
»Pre-Initialisierung gestartet«, erklang Talico Kin Suncas Stimme im Akustikfeld.
»Gut, Ingenieur. Machen Sie weiter.« Krieg, ja … Und Mato Kin wusste kaum zu sagen, wie es dazu gekommen war. Wie hatte es möglich sein können, dass so ein hoch entwickeltes Volk, wie es die Mentoren waren, ein Volk, welches das Leid
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