Sternenfaust - 156 - Sol X (1 of 2)
der bekanntesten Wissenschaftler auf Sedna.
Ben schien richtig glücklich zu sein, alleine beginnen zu können. Bei aller Skepsis, die er zur Schau trägt, möchte er sich doch gerne beweisen. Das gefällt mir – obschon ich manchmal daran zweifele, ob er sich je zu einem wirklich kreativen Wissenschaftler wird entwickeln können. Wo sind deine eigenen Ideen, Ben? Ich weiß, dass du es nicht leicht hast – bei solch einem übermächtigen Vater, der ich wohl bin … aber was soll ich machen?
Moynihan erreichte schließlich Jennings Büro und betrat das Vorzimmer.
»Guten Morgen, Professor Moynihan.« Die Sekretärin lächelte freundlich.
»Professor Jennings erwartet Sie schon.« Sie wies zur Türe.
Moynihan nickte ihr zu, durchschritt das Vorzimmer und betätigte den Summer. Im nächsten Moment glitt die Türe in die Wand. Moynihan trat ein.
»Bitte setzen Sie sich doch, Professor.« Jennings saß hinter seinem Schreibtisch und wies auf den davorstehenden Besuchersessel.
Moynihan ließ sich nieder und schlug die Beine übereinander. Hinter ihm glitt die Türe leise zischend in die Verriegelung.
»Es muss wirklich etwas Dringliches sein, wenn Sie meinen, mich aus einem wichtigen Experiment reißen zu müssen, Professor Jennings.«
Moynihan war nun schon seit fünf Jahren Leiter der Abteilung Medizinischer ABC-Schutz und hatte sich in dieser Zeit immer recht leidlich mit dem Direktor der Forschungsakademie verstanden. Zumindest hatte es bislang keine größeren Differenzen gegeben – was aber vielleicht auch daran lag, dass Jennings schlicht keine Ahnung davon hatte, was Moynihan die Hälfte der Zeit über trieb.
Umgekehrt verhielt es sich anders: Moynihan war sehr gut über den Lebensweg und die Karriere Jennings unterrichtet. Der bekannte Professor hatte den verheerenden sogenannten STERNENFAUST-II-Zwischenfall im Oktober 2254 überlebt. Damals war das Vorgängerschiff der STERNENFAUST III durch einen Kontinuumsriss vom Einstein- in den HD-Raum gezogen und wieder zurückgeworfen worden. Knapp ein Drittel der Besatzung überlebte diesen Vorfall nicht, darunter der Erste Offizier Stephan van Deyk und in gewissem Sinne auch die Kommunikationsoffizierin Susan Jamil, die aufgrund extremer Sauerstoffunterversorgung starke Gehirnschäden davontrug und in ein Koma fiel, aus dem sie bis heute nicht erwacht war { * } . Miles Jennings aber kam mit ein paar Knochenbrüchen und einer Gehirnerschütterung davon – ebenso wie der damalige Captain des Schiffes, Dana Frost.
Moynihan kannte sich in der Biografie Miles Jennings’ gut aus. Ursprünglich Schiffsarzt auf der STERNENFAUST I unter Dana Frosts Vorgänger Commander Richard J. Leslie, folgte er einem Ruf der Far-Horizon -Akademie auf Sedna, wo er einen Lehrstuhl für Exomedizin und Exobiologie übernahm und schließlich zur bedeutendsten Kapazität auf diesem Gebiet wurde. Dennoch hatte er öfter an Expeditionen der STERNENFAUST I und II teilgenommen, weil dort sein fachkundiger Rat und sein umfangreiches Wissen sehr erwünscht und nützlich waren. In dieser Zeit fand Jennings wohl genau jene Aufgabenmischung, die er für sein Leben als optimal ansah. Er hatte keineswegs bereut, aus der militärischen Hierarchie des Star Corps ausgeschert zu sein, da ihn die in seinen Augen festgefahrenen Strukturen beengten. So waren ihm die Dozententätigkeit und vor allem die Forschungssemester gerade recht gekommen. Auf der anderen Seite musste er aber auch nicht auf das Abenteuerlich-Anziehende gelegentlicher Weltraummissionen verzichten, da er immer wieder Einladungen erhielt, an Bord der STERNENFAUST an solchen Missionen teilzunehmen. So hatte er seine Rolle spielen können, ob es nun um die Bedrohung durch die Dronte oder um die Wurzelbücher der Wloom gegangen war. Heute wusste man, dass Miles Jennings zu jenen Wissenschaftlern zählte, die sich erstmals mit der später bestätigten Theorie beschäftigten, dass es zu einem verheerenden Krieg innerhalb der Spezies der Erhabenen gekommen sein musste und sie beileibe nicht als so erhaben zu gelten hätten, wie ihr Name suggerierte { * } .
Moynihan wusste auch von den Spannungen zwischen Jennings und dem damaligen neuen Schiffsarzt der STERNENFAUST II, Doktor Ashkono Tregarde, ebenfalls eine Kapazität auf dem Gebiet der Exomedizin. Eben diese Spannungen warfen ein bezeichnendes Licht auf Jennings und zeigten einen Menschen, der sich mit Moynihans derzeitigem geheimen Forschungsprojekt kaum einverstanden erklären
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