Sternenfaust - 170 - Das Vermächtnis des Kridan
Wahn eine Heilige Schrift samt einem Kloster zerstört hat. Gott möge ihm gnädig sein, aber selbst der dümmste Bolpor-Agent und Selif-Tanjaj wird nun wissen, auf wessen Seite er ab heute stehen sollte. Die ersten Befehle an sie gehen in den nächsten Mika an die Garnisonen.«
»Ich weiß Ihre Loyalität zu schätzen«, sagte Sun-Tarin, »aber ich bin mir nicht sicher, ob ich würdig bin, dieses schwere Amt zu tragen.«
»Der Palast steht Euch offen«, sagte Letek-Kun mit allem Respekt. Bei der Flucht aus der Höhle im Heiligen Gebirge hatte der ehemalige Berater des Raisa noch wie ein Feind auf Sun-Tarin gewirkt.
»Danke«, sagte er. »Ich werde mich wieder bei Ihnen melden.«
Er war froh, als die Funkübertragung beendet war und der Hauptbildschirm wieder die Schwärze des Alls zeigte. Doch dann ging es erst richtig los. Dana Frost und Captain Mulcahy standen von ihren Plätzen auf und klatschten in die Hände, dann folgten Commander Wynford und Commander Austen, bis schließlich die gesamte Brückencrew der STERNENFAUST applaudierte.
Bei allen Heiligen! Er war kein Herrscher und schon gar kein Raisa. Eine bleierne Müdigkeit drohte ihn aufzufressen.
»Commodore«, sagte er laut, damit der Beifall endlich endete. »Kann ich Sie kurz sprechen? Unter …« – er überlegte kurz – »unter drei Augen?«
Dana Frosts Mundwinkel zuckten für einen kurzen Augenblick, dann wies sie auf den Besprechungsraum neben der Zentrale.
*
»Was ist, wenn diese Aufgabe zu groß für mich ist?«, fragte Sun-Tarin. »Das kridanische Reich würde an einem weiteren schwachen Raisa vollends zerbrechen.«
Die Kommandantin musterte ihn. »Was raten Ihnen Ihre Nieren?«
Er fühlte sich zu erschöpft, zu schwach, um dieses schwere Los anzunehmen. »Sie sagen, dass ich nicht der richtige Kridan für dieses Amt bin. Ich bin kein Gotterwählter.«
»Sind Sie sicher? Ist das wirklich das, was Sie fühlen?«
Er starrte sie nur an.
»Ist das wirklich so schlecht, wo Satren-Nor Sie hineingezogen hat?«, fragte sie. »Sie haben die Möglichkeit, dem Imperium den allergrößten Dienst zu erweisen.«
Sun-Tarin musste an Satren-Nor und an sich selbst denken. Satren-Nor, der Friedensprediger, der an seinem Lebensende einen ganz besonderen Kampf ausgefochten hatte, und er, Sun-Tarin, der sich am liebsten in einem Sandloch verstecken wollte und von dem jedermann erwartete, dass er das genaue Gegenteil tat. Im Kloster auf Dornarat hatte er sechzehn Jahre für die Entscheidung benötigt, wie sein Leben nach der Buße weiter verlaufen sollte, aber dieses Mal würde niemand so lange warten. Was sollte er tun?
»Immerhin waren Sie einst der Lehrer eines Raisa«, fuhr sie fort. »Und oft lernt ein Lehrer mehr von seinem Schüler als umgekehrt.«
Sun-Tarin schwieg.
Dana Frost hatte leicht reden. Und natürlich erhoffte sie sich auch Vorteile für die Solaren Welten, wenn er Raisa wurde.
Erinnerungen kamen in ihm hoch, Bilder aus seinem früheren Leben stürzten auf ihn ein. Er dachte an sein erstes Kommando als Raumkapitän auf der SCHNABELWEISER. Später hatte er als Austauschoffizier mit Bruder William auf der STERNENFAUST gedient. Damals hatte er viel über die reichhaltige Historie und Psychologie der Menschen gelernt. Die Massai Wanda Ndogo hatte ihn auf die Aufzeichnungen eines antiken Herrschers hingewiesen: Marc Aurel. Die Texte hatten ihn tief beeindruckt, vor allem jene, in denen Marc Aurel während der harten pannonischen Winter über seine Pflichten als römischer Kaiser nachdachte.
Sun-Tarin dachte an den Schaukampf gegen Seran-Pakor, den letzten Raisa. Und an den Moment, in dem er seinem verehrten Freund und Schüler gegenübergestanden war, um ihn zum Wohl des Imperiums zu töten.
Sun-Tarin atmete tief durch und hob den Schnabel.
»Fliegen Sie mich bitte zum Palast des Friedens.«
*
Letek-Kun, der ehemalige Berater des Raisa, scheuchte die Arbeiter aus dem Thronsaal des Palastes. Noch war die Außenmauer nur provisorisch instand gesetzt und bestand hauptsächlich aus transparentem Kunststoff und Stahlträgern, aber auch das würde sich in nächster Zeit ändern.
Er setzte sich zum letzten Mal auf den thronartigen Stuhl im Palast des Friedens, von dem aus er in den letzten Monaten die Geschicke des heiligen Kridanischen Imperiums geleitet hatte. Er war froh, diese schwere Bürde abgeben zu können. Vielleicht kam er sogar dazu, im Mat’Lor für die Gefallenen der letzten Tage zu beten, bevor der neue
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