Sternenfaust - 172 - Das Ende einer Ära (1 of 3)
seit die Presse nicht mehr darüber berichten darf. Aber ich bekomme täglich die Zahlen der Sicherheitsbehörden. Sie sind erschütternd.« Seit die Wanagi angekündigt hatten, dass sie die Toten ins Leben zurückführen können, hatte es auf den Solaren Welten – vor allem innerhalb des Sonnensystems – immer wieder Selbstmorde gegeben, bei denen in den Abschiedsbriefen Sätze standen wie »Vielleicht erschaffen die Wanagi eine Kopie, die kein solcher Versager ist« oder »Ich will nicht mehr, überlasse das Chaos meinem Wanagi-Klon«.
Natürlich war das für die Presse ein gefundenes Fressen gewesen, woraufhin die Zahl der »Wanagi-Selbstmorde«, wie sie inzwischen genannt wurden, sprunghaft in die Höhe schnellte. In den Mediennetzen wurde diskutiert und debattiert, meist mit Vertretern des Vatikans, Ratsmitgliedern von New Pakistan und Predigern der evangelikal-islamischen Reform-Kirche.
Doch anstatt die Leute zu bitten, Vernunft anzunehmen, ging es meist um die philosophische Frage, ob es überhaupt moralisch vertretbar war, einen Toten ins Leben zurückzuholen. Wenn man davon überhaupt sprechen konnte, denn die Wanagi waren lediglich in der Lage, von verstorbenen Menschen eine Kopie zu erstellen, die über alle Erinnerungen und Eigenschaften des »lebendigen Originals« verfügte.
Es war fast kurios. Nach jahrhundertelangen Diskussionen über das Lebensrecht des ungeborenen Lebens ging es nun plötzlich um das Recht der Toten, tot zu bleiben. Und vor allem um die Frage: Wer soll darüber entscheiden, wer »kopiert« werden darf? Ein hastig zurechtgestrickter Gesetzentwurf regelte die Möglichkeit der Lebenden, eine Verfügung zu verfassen, ob sie nach ihrem Tod von den Wanagi neu erschaffen werden wollten. Doch was war mit denen, die eine solche Erklärung nicht abgaben, sei es, weil sie dazu nicht in der Lage waren oder es schlichtweg vergaßen? Gar nicht zu reden von denen, die gestorben waren, bevor ihnen die Möglichkeiten der Wanagi überhaupt bekannt sein konnten. Waren jene, die durch einen plötzlichen Unfall unerwartet aus dem Leben gerissen wurden, schutzwürdiger als jene, die eines natürlichen Todes starben? Ein beliebtes Argument war: »Wenn wir bei einem Unfall alles tun, um Leben zu retten, weil wir automatisch davon ausgehen, dass niemand das tödliche Opfer eines Unfalls werden will, wieso unterstellen wir diesen Überlebenswunsch nicht auch bei denen, die nicht das Glück hatten, gerettet worden zu sein? Warum bekämpfen wir tödliche Krankheiten und schrecken plötzlich davor zurück, den Tod selbst zu bekämpfen?«
Die Debatten überschlugen sich, und die sogenannten Wanagi-Gesetze wurden von allen Seiten blockiert – nicht zuletzt von Pro Humanity . Umso fanatischer bildeten sich Wanagi-Anhänger-Zirkel, die den Wanagi am liebsten die komplette Herrschaft über die Solaren Welten übertragen hätten.
Doch dann hatte ein tragisches Unglück vor einigen Monaten, bei dem eine Schulklasse von Kindern getötet worden war { * } , die Diskussion in ein noch emotionaleres Licht gerückt. Vor fünf Tagen hatte sich die Mutter eines der Opfer selbst getötet. In ihrem Abschiedsbrief war gestanden: »An die Wanagi! Holt mich ins Leben zurück, doch nur zusammen mit meinen Kind.«
Und was würde geschehen, wenn sich die Menschheit eines Tages an all das Unvorstellbare gewöhnt hatte? An die Unsterblichkeit! An die Rückkehr aus dem Reich der Toten! Würde es Morde zur Banalität machen? Würden die Menschen ihr Leben und das ihrer Angehörigen künftig leichter aufs Spiel setzen?
Hier wurde viel argumentiert. Es hieß: »Niemand hackt sich einen Arm ab, nur weil er weiß, dass er mithilfe der modernen Medizin einen neuen kriegen kann«. Andere befürchteten, die Einzigartigkeit des Lebens ginge verloren. Die gesamte Kultur, so hieß es, gründe sich auf den Schutz des Lebens und auf den Umstand, seine begrenzte Lebenszeit sinnvoll zu nutzen. Andere führten ins Feld, dass das menschliche Gehirn für eine Unsterblichkeit gar nicht geschaffen war. Spätestens nach eineinhalb Jahrhunderten, so wurde prophezeit, würden sich Trübsinn und Depressionen breitmachen.
Und was war mit Kriegen? Würden sie nun leichter geführt werden? Würde man einfach kämpferische Duplikate klonen? Menschen, die nicht mehr zu befürchten hatten, als in einen Schlaf zu fallen, um kurz darauf in einem neuen und unversehrten Körper wieder aufzuwachen?
Und was, wenn die Wanagi dann plötzlich sagten: Wir wollen
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