Sternenfaust - 175 - Der Schatten des Feindes
einmal aufblickte.
Kazuma erhob sich, rieb sich seine feuchten Hände an der Hose trocken und kam sich vor wie ein kleiner Schüler, der einen Termin beim Schulleiter hatte.
Unwillkürlich überprüfte er seinen weißen Anzug, entfernte etwas, von dem er glaubte, es sei ein Fussel und widerstand gleichzeitig dem Drang, sich noch einmal mit den Fingern durch die Haare zu fahren und dabei zu überprüfen, ob sie auch richtig saßen.
Schließlich setzte er sich in Bewegung.
Das Gehen tat gut und senkte sofort seinen Stresslevel. Die halbe Nacht hatte er wachgelegen und war immer wieder schweißgebadet aus dem Schlaf geschreckt. Auf dem Weg hierher war es bereits besser gewesen. Wenn man sich bewegte, ließ sich die Angst besser aushalten, wahrscheinlich ein Überbleibsel irgendeines Urinstinkts, der in der modernen Welt eher hinderlich als nützlich war.
Vor der Flügeltür sah Kazuma kurz einen Laserstrahl, der über ihn hinweghuschte. Es ging offenbar darum, seine Identität zu scannen. Dann hörte Kazuma ein mechanisches Klacken, was darauf hindeutete, dass die Verriegelung vor der Tür gelöst wurde. Schließlich schwang die Flügeltür auf.
Das riesige Büro von James Frey wirkte wie ein Palast. Die hintere Galerie bestand wahrscheinlich aus transparentem Stahl oder gar transparentem Titan und zeigte den sechshundert Meter hohen Hügel von Chuuck-Chuuck, der Hauptstadt des Kontinents. Am Himmel konnte man zwei der vierzehn Planeten sehen, die das Sternstein-System vorzuweisen hatte.
Allein dieses Bild erweckte sicher nicht umsonst den Eindruck, die Cosmic-Progress-Cooporation sei Eigentümer des gesamten Planeten.
Mister Frey hatte schlohweiße, gewellte Haare und trug einen Nadelstreifenanzug aus feinster Mantidenseide. Er schien in einen Text vertieft, der auf dem Touchscreen-Feld seines Schreibtischs angezeigt wurde. Er blickte nicht hoch, sondern ließ Kazuma erneut warten.
Kazuma war nicht so naiv, um dieses Spiel nicht zu durchschauen. Natürlich ließ ihn Mister Frey warten. Das gehörte dazu, um die eigene Wichtigkeit zu betonen.
Zugleich musste Kazuma zähneknirschend zugeben, dass dieses Spiel funktionierte. Seine Selbstsicherheit schwand.
Schließlich blickte Mister Frey hoch, schien ihn für einen kurzen Moment zu mustern und sagte dann, erstaunlich freundlich, indem er die Hand ausstreckte: »Setzen Sie sich doch, Mister Kuroda!«
»Nennen Sie mich bitte Kazuma«, sagte Kazuma höflich, ging einige Schritte nach vorne und nahm auf dem Stuhl Platz, der sich vor dem Schreibtisch befand. Mister Frey ging nicht auf Kazumas Bemerkung ein, er nickte noch nicht einmal. Stattdessen schien er nur genau zu beobachten, wie sich Kazuma auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch niederließ.
Als Kazuma endlich saß, hatte er das Gefühl, noch unsouveräner zu wirken.
Mister Frey lehnte schief in seinem Bürostuhl, einem Sitzmöbel, das wahrscheinlich exakt an seine Bedürfnisse angepasst war und sich vielleicht sogar mittels Nanitensteuerung an die individuelle Tagesform anpasste. Kazuma hingegen wagte es nicht einmal, die Beine übereinanderzuschlagen, und so wirkte er auf Mister Frey sicher sehr verkrampft.
»Kazuma«, sagte Mister Frey schließlich, lehnte sich noch weiter zurück und deaktivierte die Touchscreen-Anzeige seines Schreibtisches, wohl um zu demonstrieren, dass er sich nun ganz seinem jungen Besucher widmen wollte. »Sie hatten um ein Gespräch gebeten.«
Kazuma nickte langsam. »Sie können sich wahrscheinlich bereits denken, weshalb ich gekommen bin.«
Mister Frey musterte Kazuma reglos. Dann begann er: »Sie sind in der Subregion Japan geboren.«
»In Saitama«, ergänze Kazuma. »Die zweitgrößte Stadt Japans.«
»Die zweitgrößte«, wiederholte Mister Frey gelangweilt. »Und Sie waren auf der Waseda-Universität.« Wieder pausierte Mister Frey kurz. »Ihre Familie muss sehr wohlhabend sein.«
»Meine Familie verfügt über ein entsprechendes Einkommen, doch für die Waseda-Universität hätte es dennoch nicht gereicht«, erklärte Kazuma und versuchte dabei, charmant zu lächeln. Doch in Wahrheit hatte er noch nie in seinem Leben so sehr das Gefühl gehabt, sich für den mangelnden Reichtum seiner Herkunft rechtfertigen zu müssen. »Doch Allstar-Future-Tech hat mir damals ein Stipendium gestiftet«, fügte er hinzu.
»Ich weiß«, sagte Mister Frey. Jetzt klang er nicht nur gelangweilt, er klang nahezu abwesend. Als würde er gleich einschlafen. »Sie erhielten es für eine
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