Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
zu ihrem Quartier war nur angelehnt, und er fand sie weinend auf dem Küchenfußboden zwischen verrottenden Früchten und enormen Hügeln von pelzigem grünem Brotteig auf der Küchenzeile.
»Waverly«, sagte er verwirrt.
»Bitte geh einfach«, flüsterte sie und wich seinem Blick aus.
Er kniete sich hin und legte eine Hand auf ihr Bein. »Was hast du?«
»Alles!«, stöhnte sie und lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Schrank.
»Sag es mir.«
Sie schüttelte den Kopf und schob ihn fort. »Nein, Kieran.«
Er hielt dagegen. Sie war immer noch zu schwach, um ihn wegzustoßen, also gab sie auf und sank in sich zusammen.
»Ich gehe nirgendwohin, bis du mir sagst, was falsch ist«, beharrte er. »Was ist los? Was ist falsch?«
»Du«, flüsterte sie.
»Was?«
»Du, Kieran.« Sie wischte die Tränen fort. »Was zur Hölle war das da drinnen?«, fragte sie schließlich.
»Was meinst du? Den Gottesdienst?«
»Ja, den Gottesdienst«, erwiderte sie scharf. »Hast du eigentlich eine Ahnung, was aus dir wird?«
Sie griff nach oben, hielt sich an der Arbeitsfläche fest und zog sich selbst auf die Füße. Sie stand wackelig, ließ sich aber nicht helfen.
»Waverly, ich verstehe nicht!«, sagte er und folgte ihr ins Wohnzimmer.
Anstatt zu reden, fing sie an aufzuräumen, sammelte Geschirr vom Boden auf, legte verstreutes Papier auf einen Stapel, sammelte drei Paar Schuhe ein und stellte sie ordentlich neben die Tür. Dann klaubte sie eine Jacke von der Hängelampe und hängte sie liebevoll in den Schrank.
Kieran beobachtete sie, verwirrt und verletzt. »Rede mit mir«, bettelte er.
Als sie ihm in die Augen sah, wurde ihm klar, dass sie schrecklich wütend war. »Ich kann es einfach nicht glauben, Kieran.«
»Was?«
»Du bist genau wie sie!«
»Wie wer?«
»Wie Anne Mather!«
»Wer?« Er war sich nicht sicher, woher er den Namen kannte. Er hörte sich vertraut an. Hatte er ihn irgendwo gelesen?
»Sie ist die Anführerin auf der
New Horizon,
Kieran. Der Kopf hinter dem Angriff.«
Er ließ sich auf die Couch fallen. Wie konnte Waverly ihn mit einem dieser bösen Menschen vergleichen?
»Sie ist ihr Captain«, fuhr Waverly fort, »und ihre Priesterin und ihr Messias. Sie hat sämtliche Macht auf dem Schiff, und sie macht schreckliche Dinge damit.«
»So bin ich nicht«, wandte Kieran ein. »Ich bin ein guter Mensch.«
»Das war sie auch«, sagte Waverly. Sie wurde ein wenig weicher, setzte sich neben ihn und legte eine Hand auf seinen Arm. »Aber jetzt sagt sie, dass sie den Willen Gottes kennt. Kieran, niemand weiß, was Gott will.«
»Es ist nichts Falsches daran, den Leuten zu erzählen, was ich glaube«, sagte er mit einer Spur von Unmut.
»Es ist falsch, so zu tun, als sei man ein Prophet«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
Die Ungerechtigkeit ihrer Worte traf ihn hart. »Weißt du eigentlich, was ich durchgemacht habe?«, protestierte er. »Ich bin geschlagen, ausgehungert und beinahe umgebracht worden!« Er stand auf und schob ihre Hand fort. »Du hast keine Ahnung, wie es auf diesem Schiff zuging, nachdem ihr weg wart!«, schrie er dann mit rotem Gesicht. »Überhaupt keine Ahnung hast du!«
Er erwartete, dass sie zusammenzucken würde, aber sie blieb stehen, Nase an Nase mit ihm. »Kieran, ich weiß, wie es auf der
New Horizon
war. Anne Mather benahm sich frömmelnd, aber darunter war sie gewalttätig und wahnsinnig. Und wenn du diesen Weg weitergehst, wirst du genauso werden.«
»Ich forme eine Gemeinschaft aus uns! Ich forme eine Familie!«
»Das kannst du machen – und du kannst es, ohne so zu tun, als würdest du Gottes Absichten kennen. Die kennt niemand, und es ist falsch, so zu tun, als würde man sie kennen!«
»Wieso? Das ergibt keinen Sinn! Alles, was wir denken und machen und sagen, ist sein Plan für uns. Das ist doch offensichtlich, oder?«
»Nicht für mich«, sagte sie, und ihr Mund presste sich zu einer trotzigen Linie zusammen.
»Was immer die Menschen auch entscheiden zu tun, die Dinge entwickeln sich weiter, ohne dass wir sie kontrollieren können«, stellte Kieran fest.
»Und du denkst, dass Gott die Kontrolle hat.«
»Natürlich hat er sie! Alles, was er tut, alles, was geschieht, hat einen Sinn! Und darüber zu reden hat den Jungen geholfen. Das ist es, was sie weitermachen lässt, Waverly. Sonst hätten sie schon aufgegeben. Alle waren so … traurig und wussten nicht weiter. Ich musste sie irgendwie wieder aufbauen.«
»Und der einzige Weg war, eine
Weitere Kostenlose Bücher