Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
hielten. Bauern, die nicht wussten, wie man kämpft. »Wieso hören sie nicht auf mich?«
»Geh«, sagte Harvard zu ihm, während er hineinlief. »Ich sage es dem Captain.«
Ein plötzlicher, betäubender Wind raste durch Kierans Ohren. Er versuchte, auf den Füßen zu bleiben, fühlte jedoch, wie seine Schuhsohlen über den Boden rutschten. Er wurde auf etwas zugesaugt, das wie ein riesiges Loch in der Seite des Schiffs aussah.
Nein. Es war kein Loch.
Die Luftschleusen öffneten sich in die Leere des Nebels. Kieran hielt sich am Türdurchgang fest. »O Gott!«, schrie er, aber er konnte seine eigene Stimme nicht hören. Panisch suchten seine Augen die anderen Crewmitglieder. Hunderte Formen wirbelten wie Windrädchen aus der offenen Schleuse.
Die Formen waren Menschen.
»Mama! Papa!«, schrie er in den Wind. Wo zum Teufel waren seine Eltern?
»Kieran!«, rief jemand.
Harvard Stapleton war drei Meter entfernt und kämpfte sich auf Händen und Knien zu Kieran vor. Der Wind sog an ihm, zog an den Kleidern, drückte sein Haar platt, knetete die Haut im Gesicht durch.
Kieran warf sich flach auf den Boden und streckte die Füße zu Harvard aus. »Halt dich an mir fest!«
»Schließ die Tür!«, schrie Harvard, während er weiterrobbte.
»Nur noch einen halben Meter! Du kannst es schaffen!«, brüllte Kieran. Harvard sprang, bis er Kierans Füße erreicht hatte, und hielt sich mit beiden Händen fest, zog sich an seinen Beinen nach oben, bis sie sich gemeinsam in den Gang kämpfen konnten. Er fühlte, wie sich Harvards Griff an ihm einen Moment lang lockerte, und dann schloss sich plötzlich die Metalltür zum Shuttle-Hangar.
Der Wind erstarb, und es war auf einmal totenstill.
»Was machst du da?«, kreischte Kieran. »Sie haben keine Luft!«
»Kieran, wir dürfen nicht das ganze Schiff dekompressieren«, sagte Harvard. Er weinte.
Kieran presste sein Gesicht gegen das Glas und sah zu, wie ein Haufen Überlebender die Rampe zum nächsten Shuttle öffnete. Einige Crewmitglieder kämpften sich darauf zu, aber sie verloren im Vakuum zunehmend das Bewusstsein. Kieran beobachtete sie, suchte nach seinen Eltern. Er war der Verzweiflung nahe, als er seine Mutter hinter einem EMS auftauchen sah, wie sie schwach auf das offene Shuttle zukroch.
»Sie braucht Luft!«, kreischte Kieran und schlug auf das Schloss. Die Türen öffneten sich, und der Windsturm begann von neuem zu tosen, ohrenbetäubend und tödlich.
Kieran beobachtete, wie seine Mutter – durch die Luft mit neuer Kraft erfüllt – aufstand und auf die Shuttle-Rampe zulief. Sie hechtete vor, und jemand im Innern zog sie ganz hinein.
Harvard schloss die Türen wieder, und der Sturm verstummte.
»Deine Mutter ist in Sicherheit. Okay?«, sagte er. »Und jetzt geh zum Auditorium.«
»Was ist mit den anderen?«, rief Kieran. »Wir müssen sie holen!«
»Das können wir nicht, Kieran«, sagte Harvard. Er wirkte, als wäre er weit, weit fort, und seine Stimme klang flach und mechanisch.
»Wir können sie nicht einfach im Stich lassen!«
»Kieran.« Harvard griff nach seinen Schultern. »Sie sind nicht mehr da. Wir dürfen jetzt nicht darüber nachdenken.«
Kieran starrte Harvard an. Alles in ihm schien mit den anderen aus der Luftschleuse gesogen worden zu sein und wirbelte durch das dünne Gas des Nebels, zusammen mit jenen liebgewonnenen Menschen – Frauen und Männern, die er sein ganzes Leben lang gekannt hatte. War sein Vater auch bei ihnen? War sein Vater tot?
»Kieran!« Harvard schüttelte ihn, und die Schwärze in seinem Kopf wich. Der Lehrer legte einen Arm um ihn. »Komm, Junge. Ich bringe dich ins Auditorium. Okay?«
Kieran hasste sich für die Tränen, die sein Gesicht hinabliefen. Harvard war tapfer und ruhig, aber er selbst wollte schreien, zusammenbrechen, jemanden töten. Die Leute töten, die das getan hatten.
»Wieso haben sie uns angegriffen?«, stieß er hervor.
»Ich weiß nicht«, sagte Harvard verwirrt. Er hielt Kieran noch immer an den Schultern fest und führte ihn in den Treppenschacht zum Auditorium.
Kierans Gedanken flossen langsam und zäh. Es war der Schock, dachte er, und wünschte sich zurück zum heutigen Morgen, als alles noch sicher und normal gewesen war – seine Unterhaltung mit Waverly, die Nachrichtensendung. Jene Sendung, die er erst Minuten zuvor beendet hatte. Die Nachrichtensendung … Die Bekanntmachung am Ende.
»Sie haben keine Kinder«, sagte er geistesabwesend, und als er sich selbst hörte,
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