Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
riss ihn ein schrecklicher Verdacht aus seinem Schock. »Harvard, sie haben keine Kinder!«
Das Gesicht des Mannes fiel in sich zusammen. »Samantha«, flüsterte er. Der Name seiner Tochter.
Sie fielen in ein wahnwitziges Tempo, trampelten die Metallstufen nach unten, immer zwei auf einmal. Sie sprinteten über die Metallgitter zur Tür des Auditoriums. Weinen und Klagelaute schlugen ihnen entgegen.
»O Gott«, murmelte Harvard.
Sie rannten um die Ecke und fanden die Tür zum Auditorium verschlossen vor – von außen verschlossen, erkannte Kieran. Harvard machte sich kurz an dem Tastenfeld zu schaffen, dann glitten die Türen auf und gaben den Blick auf Dutzende Kinder frei, die zitternd und weinend an der Bühne kauerten.
Kierans hämmerndes Herz beruhigte sich. »Gott sei Dank.«
»Samantha! Wo bist du?«, schrie Harvard in den Lärm hinein, und Kieran sah sich nach Waverly um, fand sie jedoch nicht. Er rannte den Mittelgang entlang, schaute zwischen die Sitzreihen und stolperte in seiner Panik fast über Seth Ardvale, der am Boden lag und kaum bei Bewusstsein zu sein schien. An seiner Stirn prangte eine üble Wunde, und seine Lippen waren aufgeplatzt.
»Was ist mit ihm passiert?«, wandte Kieran sich an Sealy Arndt, der auf dem Boden in Seths Nähe kauerte und seine Hand auf eine Wunde an seinem Ohr presste, während Blut zwischen seinen Fingern heraustropfte. Auch Harvard war mittlerweile an seiner Seite.
»Wir haben versucht, sie aufzuhalten«, flüsterte Sealy. »Sie haben alle Mädchen mitgenommen.«
»Wohin?«, schrie Harvard Sealy an. »Wohin sind sie gegangen?«
»Ich weiß es nicht«, sagte der Junge benommen.
»Der Shuttle-Hangar«, sagte Harvard. »Der Backbord-Shuttle-Hangar.«
Natürlich. Nachdem sie den Steuerbord-Hangar dekompressiert hatten, mussten sie den Backbord-Hangar nutzen, um die Mädchen von der
Empyrean
zu bringen.
Harvard rannte zur Kom-Konsole und schrie hinein: »Sie entführen unsere Kinder! Alle Mann zum Backbord-Shuttle-Hangar!« Dann drückte er einen Knopf, und die Nachricht wurde fortan ständig wiederholt. Immer wieder Harvards Stimme, die endlos schrie: »Sie entführen unsere Kinder … Backbord-Shuttle-Hangar … entführen unsere Kinder … Backbord-Shuttle-Hangar …«
Harvard lief auf den Treppenschacht zu, aber Kieran hielt ihn zurück: »Nein! Wir müssen zuerst die Waffen holen!«
»Wir haben keine Zeit!«, schrie Harvard, rannte los, und Kieran folgte ihm. Während er rannte, hörte Kieran Dutzende von Füßen auf den Decks über ihm trampeln. Er schlitterte in das Treppenhaus und flog geradezu die Stufen hinauf auf das Shuttle-Hangar-Deck zu. Fremdartige, stechende Geräusche hallten durch das Schiff, als träfen Kiesel auf Metall.
»Was ist das?«, rief Kieran, aber Harvard antwortete nicht. Das musste er auch nicht, denn Kieran kannte die Antwort selbst. Mehr als alles andere wünschte er sich, er hätte eine Waffe.
Rettungsmission
W ir wollen die Mädchen nur an einen sicheren Ort bringen«, sagte der Mann mit der Narbe zu Waverly, während er und sechs andere Männer alle Mädchen den Gang zum Backbord-Shuttle-Hangar entlangführten. Die Mädchen, die jüngsten zwei Jahre alt und die ältesten fünfzehn, klangen wie eine kleine Armee, während sie rannten. Waverly fragte sich, was die Männer tun würden, wenn alle Mädchen zugleich weglaufen würden. Würden sie schießen? Nach dem, was sie Seth angetan hatten, wollte sie es nicht herausfinden.
Sie waren zusammengetrieben worden wie Schafe, die Mädchen von ihren Brüdern getrennt. »Ladies first!«, hatten die Männer freundlich gesagt und die Mädchen an der Tür aufgereiht, während der Mann mit der Narbe sein Gewehr locker auf die Jungen gerichtet hielt. Sie waren in sich zusammengesackt und zu verängstigt, um zu protestieren. Alle außer Seth. Er war aufgestanden und hatte die Fäuste geballt. »Das können Sie nicht machen«, hatte er gesagt, und dann hatte er ihr in die Augen gesehen. Sie wusste, dass Verzweiflung in ihrem Blick gelegen hatte. Sie hatte so sehr gehofft, Seth könnte wirklich etwas tun. Und Seth hatte sich auf den Mann mit der Narbe geworfen – aber es hatte nichts genutzt. In einer flüssigen Bewegung knallte der Seth den Gewehrkolben auf den Kopf, und als Sealy Arndt an Seths Seite lief, um ihm zu helfen, schwang der Mann erneut seine Waffe, riss Sealys Ohr ein und schickte den Jungen ausgestreckt zu Boden. »Das passiert, wenn Leute in Panik geraten«, hatte
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