Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
blutverklebten Augen glich dem durch einen roten Filmfilter. Er sah eine unförmige Gestalt, die sich krümmte und vorstieß, dann rammte sich eine Schulter mit aller Macht in seinen Bauch.
Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen, und er ging zu Boden, trat blind um sich, kämpfte darum, wieder zu Atem zu kommen. Hilflos am Boden liegend, rollte er sich zur Seite und bedeckte seinen Kopf schützend mit den Armen. Brutale Schläge prasselten auf ihn nieder. Eine harte Stiefelsohle donnerte gegen seinen Brustkorb, einmal, zweimal, trieb den Schmerz Splittern gleich immer tiefer hinein in seine Brust. Das Licht im Raum verblasste.
Das Licht in Seth verblasste.
Und dann kam die Ohnmacht.
Als er wieder zu sich kam, erwartete er, sich in dem Kiefernwäldchen zu befinden. Doch statt Kiefernnadeln sah er über sich eine metallene Arbeitsplatte und das flackernde Licht von Neonröhren. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er hierhergekommen war.
»Was ist passiert?«, flüsterte er.
Niemand antwortete.
Er lag auf einem kalten Steinfußboden und zwang seine Augen dazu, sich ganz zu öffnen. Er war verletzt, schwer verletzt. Langsam entspannte er sich, überprüfte seine Beine, seine Gelenke, seine Arme – alles war noch an seinem Platz. Er setzte sich auf.
Ein sengender Schmerz fuhr durch seine Brust.
Oh, es tat so weh!
Kann nicht atmen. Gebrochene Rippe. Vielleicht zwei.
Er zwang sich dazu, kurz und flach zu atmen, dann richtete er sich auf, schwankte und sah sich um. Er war in einem der Labore, und er trug sonderbare Kleidung. Er humpelte zu einem Spiegel. Sein Gesicht sah aus wie eine Halloween-Maske. Unter seinem rechten Auge prangte ein Bluterguss, und Strähnen aus Blut bedeckten sein Gesicht. Er hielt den Kopf unter das Licht und fuhr sich durch das Haar, dort, wo ein Schnitt seine Kopfhaut spaltete. Der Riss war rund zehn Zentimeter lang, und er war tief. Blut quoll daraus hervor. Die Wunde würde genäht werden müssen.
Das Letzte, an das er sich erinnern konnte, war, dass er Kiefernkerne gegessen und darüber nachgedacht hatte, wie er sich dem Saboteur nähern könnte …
Vermutlich habe ich ihn gefunden, dachte Seth bitter. Das haben mir nicht Kieran und seine Kumpels angetan. Wenn sie es gewesen wären, säße ich jetzt bereits wieder in der Brig.
Er zog sein blutiges T-Shirt aus – eines, das er nicht wiedererkannte –, wandte sich um und wimmerte wegen des Schmerzes in seinen Rippen. Seine gesamte rechte Körperhälfte war ein Schlachtfeld blauer Flecken. So schlimm er jetzt auch aussah, er wusste, dass er am Morgen zehnmal schlimmer aussehen würde.
Er brauchte Hilfe.
Er humpelte zurück zur Tür und lauschte, dann schlüpfte er hinaus und kämpfte sich im Korridor hinunter in Richtung Backbord – ein weiter Weg. Diese Ebene wurde selten genutzt, aber er hatte dennoch Glück, in niemanden hineinzulaufen. Einmal im Treppenhaus angekommen, hielt er inne, versuchte ruhig zu atmen und hoffte, dass seine Lunge nicht punktiert worden war. Er war schon oft zusammengeschlagen worden, aber erst jetzt verstand er, was sein Vater immer gesagt hatte: »Wenn ich dich schlage, gebe ich nur vierzig Prozent, Junge.«
»Ich liebe dich auch, Dad«, murmelte Seth, doch dann erinnerte er sich daran, wo er war, und hielt inne, um zu lauschen. Er glaubte unter sich Schritte gehört zu haben, aber sie waren weit entfernt, in der Nähe der Regenwaldebene, vielleicht noch tiefer.
Seth stützte sich auf dem Handlauf ab und ließ sich langsam das Treppenhaus hinuntergleiten, wobei er das Geländer einen Teil seines Gewichts tragen ließ. Sein Oberschenkel schmerzte, aber sein Bein fühlte sich noch immer kräftig genug an, um ihn zu tragen – zumindest, wenn er auf dem Weg nicht von seinem grauenvollen, pochenden Kopfschmerz übermannt werden würde.
Er bewegte sich langsam, bis er die Ebene mit den Wohnquartieren erreichte, dort lauschte er an der Tür.
Was, wenn sie mir nicht hilft?, dachte er, eine Hand gegen seine Seite gepresst. Aber sie wird mir helfen. Wenn sie mich sieht, wird sie mich bleiben lassen.
Der Korridor auf der Ebene der Wohnquartiere war still, aber jeden Augenblick konnte jemand kommen. Er musste sich beeilen. Er kämpfte gegen den Schmerz an, zwang sich dazu, schnell zu gehen, auch wenn seine Rippen dabei schrien. Der Schmerz war schlimm genug, um ihm die Sicht zu trüben – oder lag es an dem Blut in seinen Augen, dass jedes Bild, das er sah, in Rot getaucht zu sein
Weitere Kostenlose Bücher