Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
entzog. Kieran studierte die Gesichter in der Menge und versuchte abzuschätzen, wie viele von ihnen er erst noch für sich würde gewinnen müssen. Nahezu alle älteren Mädchen starrten ihn voller Verachtung an, offensichtlich erzürnt über Sarahs und Waverlys Inhaftierung. Sie mussten von einer der Wachen davon erfahren haben. Selbst einige der Jungen musterten Kieran misstrauisch, aber er hatte noch immer Verbündete. Und die ersten Reihen waren mit seinen engsten Anhängern gefüllt, jenen Kindern, die ihm zur Seite stehen würden, ganz gleich, was geschah. Er hoffte, die Anzahl seiner Unterstützer im Rahmen seiner Rede zu erhöhen. Es mochte sein, dass sein Leben davon abhing.
Er schob die Erinnerungen an den Schauprozess, den Seth einst angeordnet hatte, beiseite. Er war damals nur halb bei Bewusstsein gewesen, ausgehungert, schwach und krank, und er hatte falschen Anschuldigungen gegen sich selbst gelauscht, vorgebracht von Jungen, die er einst seine Freunde genannt hatte. Er erinnerte sich an die Kälte, die er in den Augen einiger dieser Jungen gesehen hatte, die Art und Weise, wie sie sich in ihren Stühlen vorgelehnt hatten, als Seth das Wort Hinrichtung erwähnt hatte. Für sie war er nichts als ein Haufen Fleisch gewesen, ein Stück Dreck, das jederzeit aus einer Luftschleuse geworfen werden konnte. Dieses eine Mal hatte Seth die Crew überzeugt, und genau das konnte wieder geschehen, falls es Kieran nicht gelang, die Unterstützung für seine Person zu festigen – und zwar mit allen erforderlichen Mitteln.
»Inzwischen habt ihr bereits davon gehört, dass Sarah Hodges und Waverly Marshall in der Brig festgehalten werden. Ich wette, dass das einige von euch ziemlich wütend macht. Nun, auch mich macht das ziemlich wütend. Ich möchte klarstellen, dass sie nicht festgehalten werden, um eine persönliche Rechnung zu begleichen. Sie werden festgehalten, weil sie eine Untersuchung behindert haben, bei der es um eine Serie von Vorfällen auf diesem Schiff ging, die uns alle in höchstem Maße in Gefahr gebracht haben. Keinem einzigen unserer Crewmitglieder wird je erlaubt sein, uns oder unsere Mission zu gefährden. Darauf gebe ich euch mein Wort.«
Einmal mehr studierte er die Gesichter in der Menge. Noch immer musterten viele ihn misstrauisch, aber sie hörten ihm zu. Sie hatten ihm nicht den Mund verboten, hatten ihn nicht ausgeschlossen. Mehr hatte er nicht erwarten können. Anhand des Nickens und der nachdenklichen Mienen konnte er sehen, dass nahezu alle Jungen hinter ihm standen. Er senkte den Kopf.
»Ich hätte mir etliche Jahre mehr gewünscht, in denen ich hätte lernen können, wie man ein solches Schiff führt. Aber Zeit ist ein Luxus, über den wir nicht verfügen. Jetzt, in diesem Augenblick, sind unsere Eltern in den Händen unserer Feinde, und wer weiß, was sie dort durchleiden müssen? Meine erste Priorität ist es, unsere Eltern zurückzuholen und euch alle währenddessen so gut wie möglich zu beschützen. Ich weiß, dass ich einen Haufen Fehler gemacht habe, aber für wen von uns gilt das nicht? In den letzten sechs Monaten hatten wir mehr Zusammenbrüche und Ausfälle in der Landwirtschaft als in den letzten fünf Jahren zusammen. Das liegt daran, dass unsere Wartungsmannschaft und unsere Maschinenführer Fehler machen. Nun, auch ich mache Fehler. Und jeder einzelne davon tut mir leid.«
Nun nahmen mehrere Gesichter in der Menge einen weicheren Ausdruck an. Seine Zuhörer erinnerten sich an ihre eigenen Fehler, die ihnen im Laufe der Zeit unterlaufen waren. Schon gab es weniger düstere Blicke.
»Und das bringt mich zu Seth Ardvale. Er entkam in derselben Nacht aus dem Arrest, in der die Schubdüsen fehlzündeten, und das macht ihn zu einer wertvollen Person für unsere Untersuchungen. Vielleicht könnte er uns sogar zu dem Terroristen führen, aber das könnte er nur tun, wenn es uns gelingt, ihn zu finden. Der Terrorist hat bereits einen von uns getötet und sich an der Navigation des Schiffs zu schaffen gemacht. Ich beschwöre euch, im Namen der Sicherheit eines jeden Einzelnen in diesem Raum: Wenn ihr irgendetwas über Seths Aufenthaltsort wisst, bitte tretet vor.«
Kieran sah sich um. Nun dachte seine Gemeinde nicht mehr so sehr an Sarah und Waverly; nicht mit einem gefährlichen Terroristen, der frei auf ihrem Schiff herumlief. (Er hatte das Wort Terrorist absichtlich gewählt.) Bereits jetzt wirkten die meisten der älteren Mädchen mehr besorgt als zornig, und ihre
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