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Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)

Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)

Titel: Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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Linken und erkannte den Mann, der sie fast getötet hatte und der nun laut schnarchend auf seiner Pritsche lag.
    »Ich will nicht in seiner Nähe sein«, keuchte sie schaudernd.
    »Er wird nicht erfahren, dass du hier bist«, gab Harvey zurück.
    Sie stolperte und wäre fast auf die Knie gefallen, hätte Harvey sie nicht mit überraschender Stärke aufgefangen und den Rest des Weges getragen. Er setzte sie in der Zelle am Ende des Gangs ab, gegenüber der Zelle, in die sie Seth gesperrt hatten.
    Sie und Seth würden einander sehen und sich unterhalten können. Kieran würde das nicht gefallen, und das wussten wahrscheinlich auch Harvey und die anderen Wachen. War das ihre Art, Kierans Ungerechtigkeit zu begegnen?
    Waverly hielt still, als Harvey einen Schlauch unter ihrer Nase befestigte und die Sauerstoffflasche aufdrehte. Im selben Moment fühlte sie sich eigenartig erfrischt.
    »Alles in Ordnung bei dir?«, fragte eine Stimme, und als sie sich umdrehte, sah sie Seth, der ebenfalls an seine Sauerstoffflasche angeschlossen war und sie beobachtete. Das Weiße seiner Augen war rot von geplatzten Äderchen, und seine Haut wirkte fahl. War sie selbst auch so blass? Waren ihre Blutergüsse ebenso fürchterlich anzusehen wie seine?
    »Alles in Ordnung, glaube ich«, krächzte sie, noch immer außer Atem von dem Weg aus der Krankenstation hinunter zur Brig. »Und bei dir?«
    »Ich bin gerade fast von einem Gorilla erwürgt worden, aber sonst ist alles bestens. Ich fühle mich super.«
    Waverly ertrug es nicht länger, Seths geschundenen Körper zu sehen, und starrte stattdessen an die Decke. Sie hatte Angst, die Augen zu schließen, hatte Angst zu sterben, wenn ihre Kehle im Schlaf erneut anschwoll und ihr die Luft zum Atmen nahm.
    Es ist nur der Nachhall der Angst, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Es wird schon nichts passieren. Schlaf wird mir guttun.
    Doch als sie die Augen schließlich schloss, sah sie immer wieder dieses animalische, wutverzerrte Gesicht vor sich. Spürte die Hände, die mit eisernem Griff ihre Kehle zudrückten. Jedes Detail seines Gesichts hatte sich ihr tief ins Gedächtnis eingebrannt: die Geheimratsecken, seine großen, fettigen Poren, sein fauliger Atem, der Schweiß, der in Strömen bis zu seiner Nasenspitze hinunterrann, wo er sich zu Tropfen formte und dann auf ihr Gesicht fiel, auf ihren Hals, ihr Haar. Ihre Rückenwirbel rieben unter dem Druck seiner Finger aneinander, und sie hatte das Knacken ihres Kehlkopfs hören können. Dort oben in der Sternwarte hatte sie vergessen, dass Seth in ihrer Nähe gewesen war, hatte vergessen, wo sie sich befand. Alles, was sie gewusst hatte, war, dass sie sterben würde, dass sie allein war mit ihrem Mörder. Sie hatte um sich getreten und versucht, sich aus seinem Griff zu winden, aber er war riesig und unfassbar stark gewesen.
    Es war nicht das erste Mal, dass sie sich gefürchtet hatte, aber dieses Grauen im Angesicht des nahenden Todes war ihr neu gewesen. Es hatte sie ausgehöhlt, ihre Würde genommen und sie hilflos zurückgelassen: nichts weiter als luftleere Lungen und ein blutleeres Gehirn. Eine graue Wolke hatte sich in ihr Sichtfeld geschoben, und eine Stimme in ihrem Inneren hatte geschrien: Ich sterbe! Ich werde hier und jetzt sterben!
    Als sie auf der Krankenstation aufgewacht war, hatte sie ihren Körper nicht mehr spüren können. Menschen hatten sich über sie gebeugt, hatten sie angesprochen, sie angeschrien, aber sie hatte ihnen nicht antworten können, war sich nicht einmal sicher gewesen, ob diese Menschen real waren, sich wirklich auf einer Existenzebene mit ihr befanden. Diese schreienden Menschen dort, das waren die Lebenden. Doch sie selbst war tot.
    Schließlich musste sie es doch geschafft haben, ihren Kopf zu drehen, denn sie hatte Seth erblickt, der in einem Bett neben ihrem gelegen und sie angesehen hatte.
    Ich bin zurückgekommen, hatte sie da gedacht. Ich bin wieder am Leben.
    Und nach alldem hatte Kieran nichts Besseres zu tun gehabt, als sie so schnell wie möglich an diesen kalten, unwirtlichen und einsamen Ort zu verbannen.
    Er muss mich abgrundtief hassen.
    Waverly schüttelte den Kopf, zuckte beim Schmerz in ihrer Schädelbasis jedoch sofort zusammen. Sie spürte die Tränen, die ihr an den Seiten des Gesichts herunterliefen, entlang der Vertiefungen ihrer Schläfen und schließlich in ihr Haar. Sie hatte bereits gewusst, dass Kieran sie nicht mehr liebte. Es war seit einer Weile offensichtlich gewesen, und sie

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