Sternenfinsternis (German Edition)
allerdings zuvor. Er schnappte die junge Matriarchin und trug sie zur nächsten Sitzmöglichkeit, einem Frachtbehälter, wo er sie wiederum absetzte. Sofort stürmte Ilju zu seiner Tochter, gefolgt von Jaro, der sich umgehend das Bein Letuijès ansah.
Cameron fiel auf, dass Lucas auch nicht allzu stabil auf seinen Beinen war, so entschloss er sich, den Jungen ein wenig zu stützen.
»Bist du irgendwo verletzt?«, fragte ihn Cameron, während sie auf dem Weg zu den anderen waren.
»Nur mein Stolz«, entgegnete Lucas.
»Dein Stolz? Wieso das denn?«
»Schau dir doch an, wie ich rumlaufe und ich stinke nach Erbrochenem, als ob ich darin gebadet hätte.«
Cameron schüttelte verständnislos den Kopf.
»Quatsch nicht so einen Blödsinn. Du solltest froh sein, dass es dir gut geht. Ich bin es jedenfalls. Ich habe keine Ahnung, wie du es stundenlang in dem abgeriegelten Bereich aushalten konntest. Ich hatte einen Weg gesucht reinzukommen. Erst als die Notabschottung aufgehoben wurde, ist es mir gelungen, doch da warst du verschwunden.«
»Ich habe es nicht so lange darin ausgehalten. Ich suchte einen Weg raus und habe ihn auch gefunden.«
»Wirklich? Wie hast du es geschafft?«, wollte Cameron erstaunt wissen, während er Lucas half, sich unweit von Letuijè auf einen weiteren Frachtbehälter zu setzen.
»Über das Lüftungssystem.«
»Du bist durch die Lüftungsrohre gekrochen? Oh Mann!«, zeigte sich Cameron verwundert und zugleich beeindruckt. »Kein Wunder, dass du fertig bist.«
Währenddessen versuchte Jaro, die Schwere Letuijès Verletzung einzuschätzen. Im Gebiet der Medizin war er kein Meister, doch in diesem Fall, war dies auch nicht vonnöten. Der Syka hatte schon unzählige Brüche gesehen, daher war es nicht schwer, diesen als einen ebensolchen zu erkennen.
»Wie schlimm ist es?«, fragte Ilju den Syka, der die Wunde gerade begutachtete.
»Dass es gebrochen ist, steht für mich vollkommen außer Frage. Doch kann ich leider nicht einschätzen, wie schwerwiegend es ist. In jedem Fall sollte sich dies ein Mann vom Fach ansehen. Kennt ihr jemanden?«
»Drija. Drija könnte helfen. Er ist der Leibarzt der Matriarchin«, entgegnete Ilju besorgt.
»Nokturijè?«, sprach Jaro der Mè zugewandt, die sofort verstand.
»Ich kenne Drija und mir ist bekannt, wo seine Behausung liegt. Ich werde ihn holen.«
Vor den Augen der anderen stieg Nokturijè in eine der Transportfähren, die unweit von ihnen standen. Neben den Frachtcontainern und Boxen offensichtlich das Einzige, was sich in dem Hangar befand.
Begleitet von einem leisen Surren hob das kompakte Luftgefährt langsam vom Boden ab, indessen sich unmittelbar darüber ein Schott öffnete. Es war gerade groß genug, dass die Mè das Fluggerät problemlos hindurch manövrieren konnte.
Jaro sah Ilju an, nickte ihm ermutigend zu und lief hinfort. Für ihn war es offensichtlich, warum der Syka sie für den Moment alleine ließ, doch wusste der Regent nicht, wie er es der jungen Matriarchin sagen sollte. Unentwegt hatte er darüber nachgedacht, doch es gab keinen Weg, ihr diese herzzerreißende Kunde zu überbringen, ohne Trauer und Schmerz in ihr hervorzurufen. Dennoch – es musste gesagt werden.
»Meine Tochter«, sprach Ilju Letuijè an, während er sich ihr behutsam näherte.
»Deine Mutter, unsere Herrscherin – sie weilt nicht mehr unter uns. Sie fand den Tod in ihrem Bett.«
Ilju zitterte am ganzen Leib. Das Geschehene war ihm noch zu gut in Erinnerung. Allein diese Worte ausgesprochen zu haben, fiel ihm sichtlich schwer. Doch noch dramatischer war für ihn die Gegebenheit, dass Letuijè nicht wie erwartet reagierte.
Ihre Miene war eisern und kalt – wie eine Maske, hinter die ihr Vater nicht zu blicken vermochte. Was ihn wahrlich schockierte.
»Im Bett sagst du? Nun, dann starb sie wenigstens an einem Ort, den sie für ihr Leben gerne mit anderen teilte.«
»Wie kannst du nur so gefühlskalt und respektlos sein«, fuhr sie Jaro an, der unweit der beiden stand und das Gespräch belauschte, denn ihr Vater war nicht in der Verfassung seine Tochter für diesen Frevel zurechtzuweisen.
»Ihr kanntet das wahre Wesen meiner Mutter nicht – sie war ein Monster. Immer nur auf ihre Vorteile bedacht. Meinen Vater beschuldigte sie immerzu der Untreue, doch sie war es, die sich unsittlich benahm. Es gab keinen der männlichen Bediensteten in unserem Palast, den sie noch nicht im Bett hatte. Zudem behandelte sie ihre Zofen besser als mich. Ich
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