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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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Brutkammern?«
    Tek warf Pirius einen Blick zu, aus dem blanker Hass sprach, anscheinend wegen seines Verrats. Aber er antwortete: »Sie meinen die Kammern der Fruchtbarkeit.«
    Luru Parz lachte erneut. »Schon besser. Also – ein Archivar würde den Weg zu einem solchen Ort nicht kennen, weil er ihn nicht zu kennen brauchte. Aber du kennst ihn, nicht wahr, Tek?«
    »Ja.«
    Sie seufzte theatralisch. »Na endlich. Beweg dich. Mach schon.«
    Teks Mund arbeitete. Er führte sie den Korridor entlang.
    »Ich verstehe überhaupt nichts«, sagte Pirius.
    »Du wirst schon sehen.«
    Tek brachte sie zu einer Tür, die ebenso nichts sagend aussah wie alle anderen. Als er eine Handbewegung machte, glitt sie lautlos auf.
    Der Gang dahinter war voller Menschen. Pirius wurde bang ums Herz. Aber Luru Parz fasste ihn an der Hand und stieß Tek vorwärts, und die drei zwängten sich in die Menge.
    Pirius war größer als die meisten dieser Menschen, und er schaute auf einen Strom von Köpfen, runden Gesichtern und schlanken, formlosen Körpern hinab. Als sie sich ins Gewühl stürzten, musste er mit kleinen Schritten durch dicht gedrängte Körper vorwärts schlurfen, die überwältigend sauer und milchig rochen – er fragte sich, ob seine Maske über eine Option verfügte, nicht nur die Luft zu filtern, sondern auch den Geruch auszusperren. Es gab keine Wegmarkierungen, kein festes Muster, aber die zwischen den abgewetzten Wänden des Korridors eingezwängte Menge schien sich eigenständig in Ströme aufzuteilen. Er konnte nicht erkennen, ob die Menschen um ihn herum männlich oder weiblich waren oder ob es sich überhaupt um Erwachsene handelte; sie hatten die schlanken, geschlechtslosen Körper und runden Gesichter vorpubertärer Kinder. Aber sie trugen allesamt schlichte Gewänder im Kommissionsstil, und sie schienen alle ein Ziel und einen Auftrag zu haben.
    Er wurde permanent berührt. Schlanke Körper drückten sich an seinen; er spürte den Druck von Schultern an seinen Armen, von Bäuchen in seinem Kreuz, Finger strichen über seine Hände, Hüften, Oberschenkel, Ohren und seine Gesichtsmaske – er wischte diese neugierigen, tastenden Finger weg. Überall um ihn herum waren alle in ständigem Kontakt. Er sah sogar, wie sich Lippen berührten, wie sanfte Küsse ausgetauscht wurden. All das hatte nichts Sexuelles, nicht einmal die Küsse.
    Das unaufhörliche Schlurfen setzte sich in die Ferne fort, so weit Pirius sehen konnte. Lichtkugeln schwebten über der raschelnden Menge. Und niemand sagte etwas. Seltsamerweise dauerte es eine Weile, bis ihm das auffiel. Doch obwohl kein Wort gewechselt wurde, vernahm er ein unablässiges, allgegenwärtiges zischendes Seufzen. Es war das Geräusch des Atmens, erkannte er, des Atmens und der raschelnden Kleider von abertausend Menschen – abertausend allein in diesem einen Gang, begraben unter dem Berg.
    Und sie waren alle gleich – sie hatten alle dieselben blassen, runden Gesichter, dieselben schmalen grauen Augen. Das war das Allerseltsamste. War es möglich, dass sie alle irgendwie verwandt waren? Es war ein widerwärtiger Gedanke, eine niederträchtige, animalische Vorstellung.
    Er wandte sich an Luru Parz. »Ich hatte keine Ahnung, dass es hier so zugeht. Bei unserem letzten Besuch…«
    »… hat man euch nur die äußeren Schichten gezeigt.« Sie flüsterten beide. »Wo die Kontakt-Spezialisten arbeiten: das akzeptable Gesicht des Archivs. Jeder – das heißt, jeder Entscheidungsträger der Koalition – kennt die Wahrheit über diesen Ort, nämlich, dass dies hier darunter liegt. Aber die Kontaktleute mit den glatten Stirnen ermöglichen es ihnen, diese Tatsache zu ignorieren, vielleicht sogar zu glauben, dass es überhaupt nicht existiert.«
    »Wie viele Menschen leben hier, in diesem Berg?«
    »Niemand weiß es – sie jedenfalls nicht. Aber denk daran, sie sind seit zwanzigtausend Jahren hier, fast schon seit den Zeiten von Hama Druz, und graben sich in die Tiefe. Dies ist unser größter Berg. Ich bezweifle, dass sie ihn schon völlig durchlöchert haben.«
    Wenn jeder Gang im gesamten Olympus diesem glich, dann musste das Archiv Milliarden beherbergen. Er versuchte sich die gewaltige Maschinerie vorzustellen, die erforderlich sein musste, um sie am Leben und arbeitsfähig zu erhalten: Kontinente voller Nano-Nahrungsmaschinen, Flüsse und Seen von Abwässern, die wieder aufbereitet werden mussten. Aber was war der Zweck des Ganzen, wozu war all dieses wimmelnde Leben

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