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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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darfst dein Visier hier drin auf keinen Fall aufmachen«, warnte sie. »Verstanden?«
    Die Menschen im Raum hatten dieselben runden Gesichter und waren so klein und gleichförmig wie all die anderen zuvor. Als er vortrat, wichen sie ihm eilig aus, aber hinter ihm schloss sich das Menschenmeer wieder, und sie gingen weiter ihren Aufgaben nach. Es schienen Frauen zu sein – oder vielmehr Mädchen; hier waren sie sogar noch jünger als im übrigen Komplex. Sie trugen Teller mit Speisen, Wasserkrüge, Kleidungsstücke und Dinge, die wie medizinische Geräte aussahen. Es war wie ein riesiges, technisch einfach eingerichtetes Krankenhaus, dachte er.
    An einem der Becken blieb er stehen. Es war höchstens hüfttief und mit einer milchigen, dicken Flüssigkeit gefüllt, die sich mit der Trägheit der geringen Schwerkraft kräuselte. Frauen trieben nahezu regungslos in diesem Zeug. Sie waren nackt, und Tropfen des milchigen Materials klebten an ihrer glatten Haut.
    Und sie waren schwanger, hochschwanger.
    Allerdings waren sämtliche Altersstufen vertreten, von ganz jungen Mädchen, deren dünne Gliedmaßen und zerbrechliche Körper das Gewicht ihrer Bäuche kaum tragen zu können schienen, bis hin zu viel älteren Frauen mit runzligeren Gesichtern als Luru Parz. Betreuerinnen wateten in der hüfttiefen Milch zwischen den Frauen hin und her. Sie strichen den Schwangeren übers Gesicht und die Gliedmaßen und streichelten ihnen zärtlich die Bäuche.
    »Die Brüterinnen«, sagte Luru Parz grimmig. »So ist es immer im tiefsten Innern der Labyrinthe. Brutkammern wie diese sind die heiligsten Orte im Komplex, die kostbarsten für die Drohnen. Schau, wie unruhig sie sind. Aber sie werden uns nichts tun.«
    Pirius versuchte verzweifelt, aus all dem schlau zu werden. »Und von hier aus wird das Archiv also geleitet?«
    »Nein.« Ihre Stimme klang ärgerlich. »Verstehst du immer noch nicht? Niemand leitet das Archiv. Diese Mütter sind vermutlich sein wichtigstes Element. Aber selbst sie, die permanent schwanger sind, kontrollieren gar nichts, nicht einmal ihr eigenes Leben…«
    Endlich begriff Pirius, womit er es hier zu tun hatte; er war dazu ausgebildet worden, solche Dinge zu erkennen.
    Das Archiv war keine menschliche Gemeinschaft. Es war eine Koaleszenz. Es war ein Schwarm.
     
    Anfangs war es wirklich nur ein Archiv gewesen, ein ganz harmloses Projekt zur Aufbewahrung der Aufzeichnungen über die großen Werke der Koalition.
    Aber seine Tunnels hatten sich rasch in die aufnahmebereite Masse des Olympus verästelt. Sehr bald gab es niemanden mehr, der die Gesamtanlage des Archivs noch bis in den letzten Winkel kannte. Und da einzelne Sektionen des Archivs bald mehrere hundert Kilometer voneinander entfernt lagen – etliche Tagesmärsche in diesen vollgestopften Korridoren –, ließ sich das Archiv einfach nicht mehr von einer zentralen Stelle aus verwalten.
    Es stellte sich jedoch auch bald heraus, dass das keine Rolle spielte. Die Leute waren hier, um dem Archiv zu dienen – um Informationen zu registrieren, zu klassifizieren, zu analysieren, zu speichern und zu bewahren; das war alles. Man wusste vielleicht nicht, was jeder in den kartografisch nicht erfassten Weiten der Bibliothek tat, aber man wusste immer, was die Nachbarin oder der Nachbar tat, und das reichte für gewöhnlich. Irgendwie wurden die Aufgaben erledigt, selbst wenn niemand genau wusste, wie.
    Dann kamen schwere Zeiten im Sol-System.
    Das Archiv blieb über lange Zeiträume hinweg isoliert. In den Gängen des Olympus herrschte jedoch immer reges Leben. So schnell auch neue Tunnels gegraben wurden, so sehr sich die riesigen Nano-Nahrungsbänke auch ausdehnten, die Bevölkerung schien noch schneller zu wachsen. Und die Menschen saßen natürlich im Archiv fest; wäre einer der Bibliothekare und Archivare ungeschützt auf die Marsoberfläche hinausgetreten, so wäre er binnen Sekunden tot gewesen.
    Es folgte eine politisch komplizierte Phase, in der Bibliothekarsfraktionen miteinander um die elementaren Ressourcen kämpften, die sie am Leben erhielten. Im Herzen des Olympus entstanden seltsame bürokratische Fürstentümer, die wie die alten Wasserreiche im Nahen Osten der Erde zwecks Machtausübung ein Monopol auf lebenswichtige Stoffe zu erlangen versuchten. Aber keines dieser »Luftreiche« erwies sich als sonderlich langlebig.
    Schließlich fand sich eine andere soziale Lösung. Sie war kein Ergebnis bewussten Handelns, sondern bildete sich quasi

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