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Sternenkinder

Sternenkinder

Titel: Sternenkinder Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Falls ich überhaupt noch ein Mensch bin. Hama Druz selbst war der Ansicht, dass Menschen keine zwanzigtausend Jahre alt werden sollten.«
    Es war das erste Mal, dass er die wahre Zahl hörte; sie schockierte ihn. »Das ist unvorstellbar.«
    »Natürlich. Es ist eine monströse Zeitspanne, eine Zeitspanne, die den Aufstieg und Niedergang einer Gattung, nicht eines einzelnen Lebens umrahmen sollte. Aber die Alternative zum Leben ist immer schlechter.«
    Sie war während der letzten Tage der Qax-Besatzung geboren. Schon in Pirius’ Alter hatte sie einen Kompromiss schließen müssen: für das Geschenk der Unsterblichkeit zur Kollaborateurin zu werden. »Ich dachte, es wäre das Richtige, um einen Beitrag zur Erhaltung der Menschheit zu leisten. Es wäre leichter gewesen, das Angebot abzulehnen.«
    Nach dem Sturz der Qax wurden die Jasofts – unsterbliche Kollaborateure – gejagt und zur Strecke gebracht. Viele von ihnen flohen in Sternenschiffen, die von Port Sol starteten, aber auch auf anderen Routen. Die in der Entstehung begriffene Koalition stellte jedoch bald fest, dass ein großer Teil der Informationen und Erfahrungen, die sie brauchte, um die Geschicke der Erde zu lenken, in den Köpfen der Jasofts steckte. »Sie konnten einfach nicht zugeben, was sie taten«, sagte Luru. »Aber sie waren gezwungen, sich an uns zu wenden. Und diese Mischung aus Geheimhaltung und Macht bot uns gewisse Möglichkeiten.«
    Aber die Zeit nahm erbarmungslos ihren Lauf, Generationen von Eintagsfliegen kamen und gingen, und Luru Parz starb immer noch nicht. Sie fuhr fort, ihre Machtbasis aufzubauen und das langsame Wirken historischer Kräfte zu beobachten.
    »Alle paar Generationen gab es einen neuen orthodoxen Schub«, sagte sie trocken. »Irgendeine neue Gruppierung in der Historischen Wahrheitskommission gelangte zu dem Schluss, dass man uns alte Monstren ein für alle Mal loswerden müsse.« Sie tauchte unter und verbrachte einen großen Teil ihres Lebens in sicheren Verstecken. »Aber ich habe überlebt. Es wurde natürlich schwerer für uns, als die Koalition sich festigte. Andererseits war die Stabilität der Koalition aber auch gut für uns. Wenn man lange genug in einem stabilen ökonomischen und politischen System lebt, ist es nicht schwer, immer wieder Reichtum und Macht anzuhäufen. Das Einzige, was man fürchtet, ist ein Wechsel des Regimes.«
    Geboren in einer Zeit, in der die Menschheit unter dem Stiefel eines Eroberers stand, hatte sie die gesamte atemberaubende Dritte Expansion miterlebt, in deren Verlauf sich die Menschen über die ganze Galaxis ausbreiteten. Und so waren zwanzigtausend Jahre vergangen.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, wie es ist, in Ihrer Haut zu stecken«, bekannte Pirius.
    Sie seufzte. »Die Wissenschaftler haben immer behauptet, das menschliche Gehirn könne nur die Erfahrungen von vielleicht tausend Jahren aufnehmen. Aber so einfach ist das nicht. Natürlich redigieren wir unsere Erinnerungen, die ganze Zeit. Wir konstruieren Geschichten; sonst könnten wir in einem chaotischen, gnadenlosen Universum, dem wir völlig gleichgültig sind, nicht überleben. Wenn ich an die Vergangenheit zurückdenke, ja, dann kann ich vielleicht ein Bruchstück einer Geschichte hervorholen, die ich erlebt habe. Aber ich lebe weiter, immer weiter, und wenn ich jetzt zurückschaue, weiß ich nicht mehr genau, ob ich eine Erinnerung aufsuche oder eine Erinnerung an eine Erinnerung… Manchmal kommt es mir so vor, als wäre alles, was vor dem heutigen Tag passiert ist, nichts als ein Traum. Doch dann berühre ich die Wand einer Konurbation oder rieche ein Gewürz, das in Port Sol einmal beliebt war, und mein Bewusstsein wird von Orten, Gesichtern und Stimmen überflutet – nicht als ob es gestern gewesen wäre, sondern wie heute.«
    Ihre Augen waren jetzt klar und hell hinter Wasserlinsen. »Und weißt du was? Ich verspüre Trauer. Ich bin traurig darüber, was verloren gegangen ist, Menschen und Orte, die längst verschwunden sind. Das ist natürlich absurd. Im Universum wäre nicht genug Platz für sie alle, so sie denn überlebt hätten. Und außerdem habe ich mich freiwillig entschieden, sie hinter mir zu lassen. Aber ich bin trotzdem traurig darüber. Ist das nicht töricht?«
    Sie beugte sich vor; der rauchige Geruch wurde stärker. »Ich will dir etwas sagen. Du denkst, ich hätte den Tod verscheucht. Irrtum. Ich lebe mit dem Tod. Gesichter wie deines blitzen vor mir auf, zerbröckeln dann und

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