Sternenkinder
seine Gefühle. Da war kein Zorn; er kam sich nur wie betäubt vor. Vielleicht hatte er zu viel erlebt, zu viel gesehen. Aber das hier war noch schlimmer, als ein Silbergeister-Nest im Sol-System vorzufinden. Solche Entartungen zuzulassen, hier im Herzen des Sol-Systems – das war ein Anschlag auf zentrale Elemente der Lehren von Hama Druz.
Luru schien sein Unbehagen zu spüren. »Niemand hat das gewollt, Ensign. Es ist einfach passiert. Aber dann war der Schwarm einfach zu nützlich, als dass man ihn ausgemerzt hätte, ganz gleich, was die Druz-Doktrinen dazu meinten. Letztendlich sind die mächtigen Leute an der Spitze der Koalition Pragmatiker. So wie du.«
Es war eine Erleichterung für Pirius, als sich die korpulente virtuelle Gestalt von Minister Gramm in der Luft formte, begleitet von einem nervösen, barfüßigen Nilis. Er und Luru Parz waren aufgespürt worden.
Nilis erfasste die Situation viel schneller als Pirius. Er brauchte seinen Zorn und Abscheu nicht vorzuspiegeln.
Gramm war jedoch arrogant und herausfordernd. »Nun wisst ihr also über den Olympus Bescheid. Glaubt ihr, ich werde mich bei Leuten wie euch dafür entschuldigen?
Hört zu. Dieses Archiv ist von grundlegender Bedeutung für den Fortbestand der großen Projekte der Koalition. Wir Menschen sind nicht sehr gut im Archivieren von Informationen. Aufzeichnungen auf Papier verrotten spätestens in ein paar tausend Jahren. Digital archivierte Daten halten länger, sofern sie regelmäßig auf neue Speichermedien übertragen werden. Doch selbst solche Datenspeicher werden allmählich zerstört, zum Beispiel durch Strahlung. Die Halbwertzeit unserer Daten beträgt nur zehntausend Jahre. All unsere Anstrengungen werden jedoch von den Errungenschaften der Natur in den Schatten gestellt. Die DNA übertrifft Tafeln aus Lehm oder Stein bei weitem. Einige unserer Gene sind Jahrmilliarden alt – und die genetische Information ist über die Generationen hinweg mehr als zwanzig Milliarden mal kopiert worden, mit einer Fehlerquote von weniger als einem Billionstel.«
Er seufzte. »Wir führen einen Krieg in räumlichen und zeitlichen Dimensionen, die sich unseren menschlichen Maßstäben entziehen. Wir müssen uns um ein Vielfaches besser erinnern, wenn wir uns als galaktische Macht behaupten wollen. Darum haben wir das hier. Dieses Archiv ist schon uralt. Seine Generationen von Archivar-Drohnen haben nur einen einzigen Lebenszweck: Daten, die für sie bedeutungslos sind, von einem Speicher auf einen anderen zu kopieren. Vielleicht wird es dem Schwarm eines Tages gelingen, die Kopiertreue der Gene nachzuahmen – wer weiß? Es ist jedenfalls ein Ziel, das kein anderes soziales Konstrukt der Menschheit erreichen könnte. Ob es Ihnen gefällt oder nicht, Kommissar, Schwarmbehausungen sind gute Bibliotheken!«
»Und für dieses großartige Ziel duldet ihr eine solche Entartung im Herzen des Sol-Systems?«, rief Nilis. »Eure Heuchelei ist empörend!« Seine erhobene Stimme beunruhigte die schwimmenden Mütter; sie trieben in ihren Becken von ihm weg.
»Sie waren schon immer ein Kleingeist, Nilis«, sagte Gramm geringschätzig. »In gewisser Weise ist es ziemlich elegant, einen unserer fundamentalen menschlichen Fehler in einen Quell der Stärke zu verwandeln, finden Sie nicht? Und wo wir gerade von Entartung sprechen: Sie« – er wandte sich angriffslustig an Luru Parz –, »was wollen Sie hier, Sie alte Hexe?«
»Ich hab es ja gesagt: Ich weiß, wo ihr eure Leichen vergraben habt«, antwortete sie gelassen. »Sie zögern schon wieder die Finanzierung von Nilis’ Projekten hinaus, Gramm. Damit ist jetzt Schluss.«
»Sie haben mir schon einmal gedroht«, knurrte Gramm. »Glauben Sie wirklich, es bringt die Koalition zu Fall, wenn Sie diesen Schwarmberg enttarnen?«
»Nein«, sagte sie, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Aber es wird euch zeigen, dass ich es ernst meine. Im Sol-System gibt es noch viel schlimmere Geheimnisse als dieses, Minister Gramm, das wissen Sie besser als ich. Und jetzt werden Sie mir helfen, eine Waffe zu finden. Nilis braucht etwas, womit er den Hauptradianten angreifen kann. Ich glaube, ich weiß, wo eine zu finden ist.«
Nilis machte ein neugieriges Gesicht. »Wo?«
»In der Vergangenheit natürlich. Aber in einem Archiv verschlossen, das noch tiefer begraben ist als dieses.«
Gramm starrte sie wütend an. Seine Kiefer arbeiteten. Aber Pirius wusste, dass Luru Parz ihn erneut besiegt hatte.
Nilis sah sie
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