Sternenlaeufer
Archiven zu helfen; ihre geliebte ältere Schwester Birani war Obrams Witwe.
In Pandsalas Aufzeichnungen fanden sich noch weitere kaltblütige Schreckenstaten, alle mit Begründungen, die nach ihren Maßstäben vollkommen vernünftig klangen. Niemals war sie des Mordes verdächtigt worden, und einige ihrer Taten waren wirklich sehr überlegt und listig erdacht. So hatte sie zum Beispiel Tibayan aus Niederpyrme zum Tode verurteilt, weil er sich in gewissen Streitpunkten unnachgiebig gezeigt hatte. Er gehörte zu den Menschen, für die ein Bienenstich Gift sein kann. Pandsalas Aufzeichnungen verrieten, dass sie im Sommer 714 veranlasst hatte, dass ein ganzer Schwarm dieser Insekten in seinen privaten Gemächern freigelassen wurde. Dies war ihr erfindungsreichster Mord, und obwohl ihm angesichts ihrer logischen Überlegungen und nüchternen Todesurteile übel wurde, sah sich Ostvel gezwungen, den Erfindungsreichtum dieser Frau zu bewundern.
Ein erfolgreicher Mord hatte in einem anderen Fall nicht das gewünschte Ergebnis gebracht. Der Tod von Ajit von Firon, ein Herzanfall – nach Pandsalas Aufzeichnungen durch Gift verursacht –, ließ das Land ohne Prinzen zurück. Aber Firon war nicht an Pol gefallen, trotz seines Blutrechts. Ostvel verstand jetzt, warum Rohan es Prinz Lleyns jüngerem Enkel übertragen hatte. Obwohl er unwissentlich von Pandsalas anderen politischen Bluttaten profitiert hatte, hatte sich Rohan geweigert, das Prinzenreich zu übernehmen, das Pandsala ihm und Pol schenken wollte, als er den Grund für Ajits Tod erkannt hatte.
Doch Pandsalas letzte Mordtaten hatten die beabsichtigte Wirkung gehabt. Der Tod von Prinz Inoat und seinem Sohn Jos hatte Chale von Ossetia ohne einen Erben zurückgelassen. Seine Nichte, Gemma von Syr, hatte Sioneds Neffen Tilal geehelicht, und nach dem Tod des alten Mannes würden die beiden Prinzen und Prinzessinnen von Ossetia werden. Pandsala hatte gedacht, Gemma würde Tilals Bruder Kostas heiraten, den Erben von Syr, so dass die beiden Prinzentümer verschmolzen wären; aber ihr Hauptziel war gewesen, noch ein weiteres Prinzenreich unter die Kontrolle von Pols Verwandten zu bringen. Aufgrund ihrer Bemühungen würden Sioneds Verwandte Ossetia, Syr und Kierst-Isel regieren; Verbündete würden Dorval und Firon besitzen; Pol selbst würde Herrscher über die Wüste und die Prinzenmark sein. Acht von dreizehn Prinzentümern: kein schlechter Erfolg bei nur elf Morden, sagte sich Ostvel bitter.
Pandsala hatte noch vier weitere Morde im Sinn gehabt. Kiele hatte sich jedoch ohne jegliche Hilfe selbst zerstört. Ostvel fragte sich, ob vielleicht ein früherer Versuch fehlgeschlagen war, und das veranlasste ihn zu Spekulationen über andere Morde, die sie möglicherweise nicht aufgeführt hatte. Aber was ihre Laster auch gewesen sein mochten, Dummheit gehörte nicht dazu. Elf Tote in fünfzehn Jahren hatten ausgereicht, um die meisten ihrer ehrgeizigen Pläne für Pol zu erfüllen. Ein Mehr hätte vielleicht Verdacht erregt.
Es war die letzte Eintragung, die ihm am meisten Sorgen bereitete. Ruval, Marron und Segev, uneheliche Söhne von Prinzessin Ianthe: Aufenthalt unbekannt. Es darf nicht sein, dass sie Pol den Besitz der Prinzenmark streitig machen.
Ostvel hatte die Namen lange angestarrt, als könnte die Tinte auf dem Pergament ihm einen Blick auf ihre Gesichter ermöglichen. Er wusste, was jedermann wusste: Alle drei hatten einen anderen Vater, junge Herren von physischer Schönheit; alle drei waren in Feruche geboren worden – Ruval im Jahre 700, Marron 701, Segev 703; alle drei wurden seit Langem für tot gehalten. Was nur er und einige wenige andere wussten, war, dass sie der Zerstörung des Schlosses ihrer Mutter im Jahre 704 entgangen waren und dass loyale Wächter sie auf jenen Pferden fortgebracht hatten, mit denen er, Sioned und Tobin nach Feruche geritten waren. Die Tiere waren ihnen im Flammenmeer und der Panik jener Nacht gestohlen worden. Und mit noch weniger Menschen teilte er das Wissen, dass sie Pols Halbbrüder waren.
Von allen lebenden Menschen hätte Pandsala zuerst diese drei getötet, wenn sie es gekonnt hätte.
Er warf einen Blick zu den geschnitzten Holzvertäfelungen, hinter der dieses Pergament und gewisse andere, gefährliche Dokumente in einem Geheimversteck sicher verwahrt wurden. Die alte Myrdal, ehemalige Kommandantin der Wache von Stronghold, hatte diese Nische und viele andere interessante Besonderheiten entdeckt, als sie ihm in
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