Sternenlaeufer
würde.
»Sicher wird es dir schon bald gehören. Aber vergiss nicht, dass die Felsenburg viele Generationen lang unseren Vorfahren gehört hat. Wir werden von dort aus herrschen – wie dein Großvater es tat und seine Ahnen vor ihm.«
»Ich darf Vater nichts davon erzählen, oder?«, erkundigte er sich jetzt listig.
»Es muss unser Geheimnis bleiben, Rinhoel. Denk doch nur, wie viel Spaß es machen wird, meine Briefe zu bekommen und Dinge zu wissen, von denen niemand sonst eine Ahnung hat! Deshalb musst du die ganze Zeit über Lesen üben, mein Liebling. Hast du verstanden?«
»Ich bin doch kein Baby.«
»Nein, das bist du nicht. Du bist mein Prinz, nicht wahr? Und gemeinsam werden wir in die Felsenburg einreiten – nachdem wir Drachenruh eingenommen haben, natürlich.«
Rinhoel dachte darüber nach und willigte dann mit einem Nicken ein. Er hüpfte von ihrem Schoß und griff sich den abgelegten Helm. Chiana beobachtete entzückt, wie er ihn aufsetzte und zu ihr marschierte, wobei er ein imaginäres Schwert schwenkte.
»Und das ist für Prinz Pol und alle Lichtläufer!«, kreischte er und stieß in Richtung auf ihr Herz.
Sie applaudierte, und dann lachten sie gemeinsam.
Swalekeep hatte wie alle anderen Prinzentümer, alle großen und viele der kleinen Besitztümer einen residierenden Faradhi. Doch im Gegensatz zu den meisten Hof-Lichtläufern hatte Vamanis gewöhnlich nur sehr wenig zu tun. Es gab Orte, an denen er und seine Kameraden geduldet wurden, und andere, an denen man ihnen offen mit Misstrauen begegnete. Aber kein Lichtläufer wurde so gründlich ignoriert wie Vamanis. Er sah die Hoheiten von Meadowlord nur, wenn eine Nachricht von außerhalb eintraf, denn die Tradition schrieb vor, dass der Lichtläufer direkt zu denen sprach, denen er diente. Prinz Halian und Prinzessin Chiana zogen ihn niemals heran, um mit anderen Prinzen oder ihren eigenen Athr’im zu kommunizieren – was in Vamanis’ Augen über alle Maßen dumm war. Warum Kuriere senden, wenn man einen Lichtläufer zur Hand hatte? Aber sie trauten ihm offensichtlich nicht. Es war Teil der Faradhi -Ethik, das Geheimnis derartiger Kommunikationen zu bewahren, gleichgültig, worum es ging – obgleich er zugeben musste, dass diese Tradition unter dem jungen Lord Andry ebenso flexibel gehandhabt wurde wie viele andere. Vamanis hätte schwören können, dass Lord Andry viele Dinge nur wissen konnte, weil ein Lichtläufer sein Schweigegelübde gebrochen hatte. Vamanis selbst war unter Lady Andrade ausgebildet worden, und sie hatte an der Tradition festgehalten. Aber es war ihm nicht gelungen, die Bewohner von Swalekeep von seiner Ehrenhaftigkeit zu überzeugen. Ganz besonders war es ihm verboten, sich an der Unterweisung der Kinder des Hauses zu beteiligen, was normalerweise zu den Pflichten eines Lichtläufers gehörte. So hatte er nur selten überhaupt etwas zu tun.
Zum Glück hatte er andere Interessen und Begabungen. Seine Mutter war Silberschmiedin gewesen, sein Vater Koch in seiner Vaterstadt Einar, und Vamanis übte sich in beiden Gaben, wenn er nicht gerade das Land erforschte, verschiedenen hübschen Frauen den Hof machte, las oder sich über das Sonnenlicht mit Freunden unterhielt, die irgendwo zwischen Snowcoves und Dorval lebten. Alles in allem war es ein angenehmes Leben, da er sich ganz seinen individuellen Interessen widmen konnte. Aber nach drei Jahren fing es nun an, ihn zu langweilen. Er hatte gerade seinen achtundzwanzigsten Winter vollendet, und seine Ringe machten ihn zu einer bedeutenden Persönlichkeit seiner Welt. Es gab viele andere Dinge im Leben, die er tun konnte, und häufig hatte er das Gefühl, seine Gaben würden anfangen zu rosten. Im Sommer wollte er Lord Andry um einen anderen Posten ersuchen; sollte doch jemand anders dieses Leben ein paar Jahre lang genießen.
Vamanis beriet sich gerade in der Küche mit dem Pastetenkoch wegen einer Delikatesse für das heutige Abendessen, als plötzlich eine Nachricht auf dem Sonnenschein durch ein offenes Fenster fiel und in seinen Geist eindrang. In der für sie typischen kurzen, würdevollen, aber freundlichen Art ersuchte die Höchste Prinzessin ihn, Lord Barig aus Gilad davon in Kenntnis zu setzen, dass der Hoheprinz seine Anwesenheit in Stronghold wünschte. Vamanis machte eine kurze Pause, um das elegante Muster von Sioneds Farben auskosten zu können; er war nur selten davon berührt worden, und ihre Meisterschaft und ihr Leuchten waren für ihn ein seltener
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