Sternenlaeufer
wartete, hatte Halian eine Liebe zu Pferden, Alkohol, seinen nichtehelichen Töchtern, die ihm seine längst verstorbenen Mätressen hinterlassen hatten, und auch zu ein wenig diskreter Hurerei hin und wieder entwickelt. Wäre es nicht so diskret gewesen, wäre Chiana mit den Frauen umgesprungen wie ihre Mutter Lady Palila mit den anderen Mätressen ihres Vaters. Was sie schmerzte, war seine völlige Gleichgültigkeit dem wundervollen Sohn gegenüber, den sie ihm geschenkt hatte, aber sie hatte gelernt, dies Gefühl abzuschütteln. Obwohl seine Hingabe an seine Vergnügungen dafür sorgte, dass sie frei war zu regieren, wie es ihr gefiel, hatte sie jeden Respekt verloren, den sie ihm einmal entgegengebracht hatte. Sie hatte sich ihr Leben lang nach Macht gesehnt; Halian hatte diesen Wunsch abgelegt. Macht bedeutete zu viel Arbeit.
»Wie du wünschst, meine Liebe.« Er umarmte sie flüchtig. »Was hat Vamanis denn gewollt?«
Sie hatte die Nachricht des Lichtläufers fast vergessen. »Der Hoheprinz wünscht Barig in Stronghold zu sehen. Man kann sich ja denken, warum.« Selbst Halian würde in der Lage sein, sich das auszurechnen. »Lord Andry wird sich nach seinem Aufenthalt in Feruche dorthin begeben haben. Glaubst du, sie werden jetzt über diese dumme Lichtläuferin entscheiden? Oder verschieben sie es bis zum Rialla ?«
»Wie auch immer, es geht uns wirklich nichts an.«
Sie konnte es immer noch nicht ganz sein lassen, sich über seine Gleichgültigkeit aufzuregen. Würde er denn niemals begreifen, dass alles, was in irgendeinem der Prinzentümer geschah, sie etwas anging? Aber jetzt hatte sie noch etwas anderes im Sinn, worauf sie bisher nicht gekommen war. Barigs Vetter Prinz Cabar verabscheute und misstraute der Wüste und den Lichtläufern; wenn Barig dazu gebracht werden konnte, im Austausch für ihre Unterstützung Andry gegenüber sie zu unterstützen, dann konnte er sehr leicht Rohan mit den Armeen aus Gilad bedrohen, um ihren Anspruch auf die Prinzenmark zu stützen. Und mit Gilad würde Crib kommen. Und Cunaxa war bereits gesichert.
Würde sie Barig an einem einzigen Abend von ihrer Sache überzeugen können?
Vielleicht. Vielleicht. Zumindest konnte sie auf bemerkenswerte Vorhaben hinweisen und ihm vorschlagen, seinem Prinzen im Zweifel zu ihren Gunsten zu raten. Er war nicht dumm; er würde sicher begreifen, dass sie einen Schritt machen wollte.
Sie schenkte Halian ein strahlendes Lächeln. »Natürlich hat es nichts mit uns zu tun, Liebster. Überhaupt nichts.«
Kapitel 16
Stronghold: Frühjahr, 35. Tag
Feylin, die Herrin von Remagev und Verantwortliche für die Zählung der Drachen, verabscheute Menschenmengen. Alle Bewohner von Stronghold standen wartend in der heißen Sonne, denn Rohan hatte prinzliche Ehren aus Anlass von Miyons Ankunft aus Tiglath angeordnet. Nicht etwa weil der Cunaxaner das erwartete, wenngleich er das tun würde, oder weil er es verdiente, denn das tat er nicht, sondern weil ein solches Schauspiel einen unverkennbaren Wink für einen Mann bedeutete, dem es an Sinn für wohldurchdachte Manöver fehlte. Angesichts der Schlosswache, die Kampfblau und Rüstung trug und den Weg durch den gesamten Tunnel bis in den Haupthof säumte, wäre nur ein Idiot nicht beeindruckt gewesen. Rohans Familie und ihre Vasallen, in strenger Ordnung auf der Haupttreppe aufgestellt, waren an und für sich schon eindrucksvoll genug.
Der Herr und die Herrin von Remagev waren hinsichtlich ihres Ranges von untergeordneter Bedeutung, wenngleich nur wenige Menschen dem Hoheprinzen persönlich näher standen. Walvis war Rohans Knappe gewesen und kannte ihn tatsächlich länger als Sioned. Aber Remagev, das einst im Besitz von Rohans Vetter gewesen war, der ohne Erben gestorben war, stand im Rang tiefer als Schloss Tuath oder die Faolain-Tiefebene oder Whitecliff, und rangierte auf jeden Fall weit hinter dem Kronjuwel Radzyn. Aber obwohl Walvis und Feylin sich um das Protokoll ebenso wenig scherten wie ihr Prinz, so bot ihnen der Platz am Rande der hochgeborenen Versammlung diesmal einen weit besseren Blick. Sie konnten daher alles beobachten, ohne aufzufallen, im Gegensatz zu Chay und Maarken und ihren Gattinnen, die in der Mitte standen und somit selbst Ziel so manchen scharfen Blicks waren.
Feylin bewegte unter der tiefblauen Seide ihrer Prunktunika die Schulter. Es war heiß, und sie ärgerte sich, dass so viele Lagen von Kleidungsstücken zu dieser absurden Begrüßung notwendig waren und
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