Sternenlaeufer
Mädchen schrak zurück und hob endlich den Blick. Seine Augen waren samtbraun; mit ihren goldenen Farben und dunklen Augen ähnelte Meiglan einem verängstigten Reh. »O nein, bitte – nicht jetzt, Herrin!«
»Ach, nun hör aber auf«, ermutigte Sionell sie mit einem tapferen Lächeln, »was immer du über die Leidenschaft des Hoheprinzen für Drachen auch gehört haben magst, so hat er sich bisher nicht in einen verwandelt!«
»Und ich ebenso wenig«, ließ sich Pol hinter Meiglans Schulter vernehmen.
Das Mädchen wandte sich um. Feylin konnte sein Gesicht nicht sehen, aber sie sah Pol plötzlich so, wie eine Fremde ihn sehen musste: als ein Geschöpf der Sonne. Ihre Strahlen leuchteten um sein helles Haupt, beleuchteten die Winkel und Flächen seines Gesichtes, funkelten auf den winzigen Silberwappen der Prinzenmark, die auf den Kragen seiner violetten Tunika gestickt waren, und wurde noch übertroffen von seinem bereitwilligen Lächeln.
»Da bist du ja endlich«, wandte er sich an Sionell. »Aber ich bin enttäuscht. Du hast Talya nicht mitgebracht:«
»Wie ich sehe, ist es ihr offenbar gelungen, dich zu bezaubern, als du sie in Feruche getroffen hast«, sagte Sionell lächelnd. »Aber sie ist viel zu klein für eine so lange Reise, Pol.«
»Dir sieht man sie nicht an. Ehe und Mutterschaft stehen dir perfekt, Ell. Du bist nie schöner gewesen.«
Krümel vom Brotlaib, dachte Feylin und wechselte einen Blick mit Walvis. Sie war dankbar, dass ihre Tochter sich niemals zu dem Glauben hatte hinreißen lassen, sie könnte eine Mahlzeit daraus machen.
Sionell dankte ihm und stellte ihm Meiglan vor. Das Mädchen sagte nichts, als Pol sich über sein Handgelenk beugte und es willkommen hieß; Feylin beobachtete Pol und Sionell und bemerkte bei beiden dieselbe bewusste Beherrschtheit. Aber irgendetwas stimmte nicht. Sie spürte es mit jeder Faser.
Pol hielt Meiglans Hand und beugte sich zu ihr: »Erlaubt, dass ich Euch aus dieser Hitze geleite.«
Meiglan nickte wortlos, und sie begaben sich in die kühle Dämmerung der Eingangshalle. Einen Augenblick später umklammerten Chayla und Rohannon Pols Beine und hätten ihn fast umgeworfen. Nachdem sie von allen begrüßt worden waren, beanspruchten sie jetzt ihren Teil von Pols Aufmerksamkeit. Er kniete nieder, um sie zu umarmen, und wollte wissen, was sie in Tiglath angestellt hatten. Chayla heulte empört auf, und Rohannon rief Meiglan als Zeugin an, dass sie sich perfekt betragen hätten.
Endlich lächelte das Mädchen. Es bückte sich ein wenig und murmelte etwas, was Feylin nicht verstehen konnte. Rohannon baute sich vor Pol auf: »Siehst du? Lady Meiglan hat es gesagt. Wir sind pünktlich ins Bett gegangen, und wir waren sehr brav und haben niemanden geärgert. Talya war es, die immer alle aufgeweckt hat, und Lady Meiglan in der Nacht, als sie ihren Traum hatte.«
Die Wangen des Mädchens färbten sich rot, und ihr ganzer Körper erstarrte. Sionell zog die Stirn kraus. Das plötzliche Krächzen von Prinz Miyons Stimme erschreckte alle so sehr, dass nach seinem ersten Wort Schweigen herrschte.
»Meiglan! Warum bist du noch hier? Du bist schmutzig. Geh sofort nach oben!«
Sie wich zurück und war jetzt so bleich, wie sie einen Moment zuvor noch rot gewesen war. Chayla und Rohannon zuckten tatsächlich zusammen. Pol erhob sich. Ein zorniges Blitzen in seinen Augen wurde von ihm schnell, aber mit offensichtlicher Mühe unterdrückt. Ehe er etwas sagen konnte, sprang Sionell elegant in die Bresche.
»Die Verzögerung ist meine Schuld, Hoheit. Nach diesem langen Ritt ist der Gedanke an so viele Stufen nicht sehr verlockend.« Sie verteilte ihr Lächeln nach allen Seiten, nahm dann Meiglans Arm und zog sie zu Rohan und Sioned hinüber. Das Mädchen war starr vor Entsetzen und stolperte leicht, wodurch es nur noch mehr wie ein verschrecktes Reh aussah. »Darf ich Euch Lady Meiglan von Gut Gracine vorstellen? Dabei muss ich mich noch einmal entschuldigen, Prinz Miyon, weil ich Euch nicht gestatte, Eure Tochter selbst vorzustellen.«
Rohan und Sioned besaßen zu viel Erfahrung, um ihre Überraschung zu zeigen, und hießen das Mädchen ruhig willkommen. Pol war dazu noch zu jung. Einen Augenblick schien er einfach nur verblüfft.
Für gewöhnlich fand Feylin Menschen nur etwa halb so interessant wie Drachen. Aber sie konnte Worte und Aussehen ebenso gut zusammenzählen wie Statistiken, und das Ergebnis machte die kleine Lady Meiglan wirklich sehr interessant. Sie
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