Sternenlaeufer
Sioned mit Rohan verheiratete. Sie drängte Lichtläufer in das Leben und das Blut von Prinzen. Das machte euch sichtbarer.«
»Und? Wir sind zum Dienen geschaffen und sind nicht bloß Prinzen.«
»Aber siehst du denn nicht, dass ihr in das alltägliche Leben verwebt werdet? Du hast Faradh’im an allen prinzlichen Höfen eingesetzt, in jedem größeren Gut. Jetzt sind sogar schon die Kleineren dran. Als die Lichtläufer noch ferne Wesen waren, musste niemand viel über Euch nachdenken. Aber jetzt müssen die Menschen sehr oft direkt mit euch umgehen.«
»Und steht nicht Rohans Name mit all den neuen Gesetzen in Zusammenhang, die Eingang in das Alltagsleben der Menschen gefunden haben? Er ist der sichtbarste Hoheprinz seit einhundert Jahren. Die Menschen gehen auch mit ihm viel direkter um. Ich sehe keinen Unterschied. Außerdem ist es nicht meine Schuld, wenn die Menschen unbedingt glauben wollen, wir wären geheimnisvolle …«
»Was passiert, wenn die Nachricht von deinen Devr’im Kreise zieht? Du weißt, dass das geschehen wird. Der Einsatz von Lichtläufern als … als Waffen in einer Schlacht – Andry, das ist so weit von allem entfernt, was du je gewesen bist, dass nur ein Narr sich nicht davor fürchten würde!«
Andry zögerte. Dann dachte er daran, dass er gewiss zum letzten Mal mit seinem Vater hier stand und auf das Land seiner Geburt hinausblickte, und erklärte: »Du weißt nicht, was ich gesehen habe.«
»Gesehen?« Die Falten auf Chays breiter Stirn wurden noch tiefer. »Erklär dich genauer.«
Andry biss sich auf die Lippen. »Vergib mir, aber du musst mir dein Wort geben, nichts davon vor irgendjemandem zu wiederholen.«
Chay erstarrte. »Mein Wort?«
»Es tut mir leid. Glaube mir, dass ich dich nicht darum bitten würde, wenn es nicht so ungeheuer wichtig wäre. Bitte.«
Ein zögerndes Nicken. Andry seufzte vor Erleichterung. Sein Wissen war plötzlich zu viel für ihn, er konnte nicht allein damit leben; und hier war der einzige Mann der Welt, mit dem er es teilen konnte.
»Vater, an dem Tag, als ich Herr der Schule der Göttin wurde, hatte ich eine … eine Vision.« Er beschwor die Erinnerung herauf, und als er sich zwang, das Entsetzliche noch einmal zu durchleben, hörte er den Schatten davon in seiner Stimme. »Hunderte von Toten. Schlösser in Ruinen – schreckliche Zerstörung. Unvorstellbare Schlachten in einem Krieg, den wir verlieren müssen, wenn nicht etwas getan wird. Ja, die Devr’im bedeuten eine Abkehr von der Tradition. Aber hat nicht auch Andrade Traditionen gebrochen, als sie Sioned, eine voll ausgebildete Lichtläuferin, mit einem Prinzen verheiratet hat? Nach allem, was ich weiß, wird es zu diesem Krieg kommen, weil Pol ist, wer er ist, nämlich Lichtläufer und Prinz zugleich. Ich weiß es nicht genau. Ich kann nicht sicher sein. Aber ich habe den Schmerz gesehen, Vater. Ich tue alles, was ich kann, um eine Verteidigung dagegen aufzubauen. Findest du, ich sollte untätig zusehen? Wäre ich dein Sohn, wenn ich das täte?«
Die grauen Augen suchten seine. »Du hast all das gesehen?«
»Ich habe Graypearl gesehen, geplündert«, murmelte er. »Medawari in Gilad, Faolain Riverport – sogar Stronghold, sogar Radzyn.« Chay zuckte unwillkürlich zusammen. »Es war alles in Trümmern«, betonte Andry hartnäckig. »So tot wie Feruche, ehe Sorin es wieder aufgebaut hat.« Er schluckte, als er seinen Zwillingsbruder erwähnte.
»Ich will nicht sagen, dass ich dir nicht glaube«, meinte Chay langsam, »aber … könnte es sein, dass du Dinge tust, die deine Vision schneller wahr werden lassen?«
»Du hast nie viel mit Faradh’im anfangen können, nicht wahr? Aber ich denke, das ist nicht wichtig. Ich glaube, dass geschieht, was mir gezeigt worden ist. Und ich glaube auch, dass mir die Mittel gegeben wurden, uns dagegen zu verteidigen. Welchen anderen Sinn hätte sonst die Sternenrolle? Und wenn die wachsende Furcht vor Lichtläufern Tausende rettet, ist der Preis dann zu hoch?«
»Wenn Furcht der Preis ist, dann musst du die Kosten selbst berechnen, mein Sohn.«
»Wie kann ich es dir begreiflich machen?«, rief er. »Ich suche keine Macht um ihrer selbst willen oder um mich als Pols Rivale aufzubauen. Was ich auch tue, so sind es nicht Gier oder Ehrgeiz, die mich antreiben. Ich habe Angst vor dem, was die Zukunft bringt.«
»Sei vorsichtig, was du der Zukunft opferst«, warnte Chay.
»Ich würde mein eigenes Leben opfern, wenn ich dadurch verhindern würde,
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