Sternenlaeufer
Möglichkeit, Zaubererblut zu haben. Er nahm sich zusammen und erklärte: »Ich bin es, oder ich bin es nicht. Das ist jetzt nicht wichtig. Ruala ist wichtig.«
»Wenn sie ihr etwas tun, bringe ich sie mit bloßen Händen um.«
»Ihr wird nichts geschehen, Riyan. Sie brauchen sie, damit ich mich kooperativ erweise. Aber es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Die Forderung wird innerhalb der nächsten Tage an mich herangetragen werden. Sie können sich nicht ewig verstecken. Und selbst wenn es ihnen gelungen ist, durch die Tore zu kommen – die Wüste ist kein Ort, wo man mehr als eine einzige Nacht verbringt, nicht einmal im Frühjahr.«
Riyan nickte, aber seine Ringe blitzten, als er in seiner hilflosen Wut die Hände immer wieder zu Fäusten ballte.
Rialt kehrte mit zwei Wächtern und einer Magd zurück, die das smaragdgrüne Abzeichen trug, das sie als persönliche Bedienstete der Höchsten Prinzessin auswies. Pol gab kurz und bündig seine Anordnungen und sagte dann zu Riyan: »Komm. Es wird Zeit, dass mein Vater davon erfährt.«
Aber er musste Meiglan noch einen letzten Blick zuwerfen. Sie konnte das Mittel letzte Nacht eingenommen haben, um jegliches Nachfragen zu vermeiden – nachher. Er wollte glauben, dass sie es so gemacht hatte und fürchtete, dass es nicht so war. Denn wenn Zauberer die Gestalt wechseln konnten, dann war die Frau, mit der er letzte Nacht zusammen gewesen war, vielleicht überhaupt nicht Meiglan gewesen.
Chay und Andry standen auf den Festungswällen mit Blick auf die Wüste hinter den Klippen, die Stronghold schützten. Vater und Sohn bemühten sich ein letztes Mal darum, einander zu verstehen. Der eine, ein mächtiger Athri und berühmter Krieger, der schon sechzig Winter gesehen hatte, hatte sich Faradhi -Fähigkeiten gegenüber niemals wohl gefühlt, obwohl er von Lichtläufern umgeben war. Der andere, halb so alt wie sein Vater und Herr der Schule der Göttin seit seinem zwanzigsten Lebensjahr, hatte Veränderungen der Lichtläufertechniken eingeleitet, die letzte Nacht ihren Höhepunkt in etwas gefunden hatten, das Talentlose niemals verstehen konnten. Jeder kannte die Zweifel und Vorurteile des anderen; aber sie waren nicht zwei beliebige Männer, sie waren auch Vater und Sohn. Sie mussten es versuchen.
»Hör nur, welches Wort du soeben benutzt hast«, sagte Chay. »Magie. Davon habe ich in meiner Jugend vielleicht ein Dutzend Mal gehört.«
»Es ist ein passender Ausdruck …«
»Für etwas, das früher jeder als gegeben hinnahm, einfach als Teil des Lebens. Die Lichtläufer taten, was sie tun mussten, aber es war keine Magie.« Chay stützte die Hände auf die Steinmauer und blinzelte in die Sonne. »Wir pflegten von den ›Künsten‹ oder ›Fähigkeiten‹ zu sprechen, wenn es um Lichtläufer ging. Jetzt fangen wir an, von Magie zu reden. Andry, hörst du den Unterschied denn nicht?«
»Wenn die Leute es gern so nennen möchten …« Andry zuckte mit den Schultern. »Was wir tun, ist nichts Gewöhnliches.«
»Es ist für jemanden wie mich nicht zu erklären. Und die Menschen fürchten, was sie nicht verstehen können.«
»Vater!« Andry fing an zu lachen. »Du hast in deinem ganzen Leben nie vor etwas Angst gehabt, am wenigsten vor deiner eigenen Gemahlin und deinen Söhnen!«
»Ich rede nicht von mir. Ein Lichtläufer bei der Arbeit ist ein merkwürdiger Anblick, aber es ist nicht erschreckend, wenn man es als eine Geschicklichkeit ansieht wie z. B. eine Geschicklichkeit im Krieg. Aber Magie – das ist etwas ganz anderes.«
»Du und ich, wir sind einfach Krieger verschiedener Art. Und außerdem, was du gesehen hast, war Respekt, nicht Angst.«
»Ja?«
»Genau derselbe Respekt, wie man ihn dir entgegenbringt, wenn du dein Schwert an der Seite trägst«, erklärte Andry entschieden.
»Ja, aber jeder andere Mann mit einem Schwert kann mir unter gleichen Voraussetzungen entgegentreten.« Chay fing an, in dem Mörtel zwischen den Steinen zu stochern. »Aber Schwerter sind nutzlos gegenüber dem, was du gestern Abend in Drachenruh getan hast.«
»Ich bin jetzt nicht an Drachenruh interessiert. Mich beschäftigt mehr, dass du mir für irgendetwas die Schuld zu geben scheinst. Ich wüsste gern, was das ist.«
Chay schwieg einen Moment, drehte sich dann um und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es geht nicht um Schuld. Es handelt sich um eine Verantwortung, die du mit Andrade teilst. Sie hat etwas in Gang gesetzt, als sie ihre Schwester mit Zehava und
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