Sternenlaeufer
ihre Arbeit zunichtegemacht. Er hatte gewusst, dass Chianas Interesse noch größer sein würde, wenn es um ihren Sohn ging. Zweifellos hätte er Rinhoel getötet, sobald die Prinzenmark sicher in seinen Händen lag. Ein kluger Plan, für den nun Chiana zahlen musste.
Die Prinzessin stand blicklos vor dem Spiegel. Ihre blassen, weichen, beringten Finger hatte sie zu Fäusten geballt erhoben. Einen Moment später lag der Spiegel in blutbedeckten Scherben am Boden. Chianas Mund verzog sich in einem unhörbaren Schmerzensschrei, und sie fiel zwischen dem zersplitterten Glas auf die Knie. Von ihren zerfetzten Fingern tropfte Blut.
Mireva sah aus einem schmalen Splitter des Spiegels noch ein paar Augenblicke lang zu, ehe sie sich zurückzog. »Das als ewiges Andenken für jene, die ungehorsam sind«, murmelte sie.
Und dann krachte die Tür von Meiglans Schlafzimmer auf einmal auf. Das Schloss wurde zerstört, das Holz splitterte, und drei Paar Diarmadhi -Augen starrten sie an.
Kapitel 23
Stronghold: Frühjahr, 34. Tag
Die alte Frau handelte mit verblüffender Geschwindigkeit. Die Wirkung dieses plötzlichen Ansturms von Zauberermacht auf ihre Sinne war verheerend. Pol, Riyan und Rialt waren starke, athletische junge Männer, aber sie fing ihre Blicke mit ihren merkwürdigen, graugrünen Augen ein, und sie hatten ihr gegenüber keine größere Chance als neugeborene Babys.
Sonnenstrahlen wurden zu Schwertern aus goldenem Kristall, die sich in die Augen der Männer bohrten. Die Luft verwandelte sich in winzige Nadeln mit scharfen Spitzen, die in ihre Haut stachen. Ihre eigenen Schreie wurden zu schwarzen Messern, die sich in ihre Schädel senkten. Und mit diesen Messern kam Bewusstlosigkeit, aber keine Erlösung von den Schmerzen.
Als Pols Gehirn wieder zu arbeiten begann, war die Alte verschwunden. Und Ruala mit ihr.
Er versuchte auf die Füße zu kommen, aber seine Knie schienen nicht richtig zu arbeiten. Riyan lag gleich neben ihm. Rialt, dem die Gaben fehlten, die den Angriff für die beiden anderen verstärkt hatten, war bereits auf den Füßen. Er half Pol hoch und stützte ihn, als er taumelte.
»Gütige Göttin«, hauchte Pol, als er sicher war, dass seine Stimme nicht umkippen würde. »Was bei allen Höllen war das?«
»Genug Zauberei, dass sie mit Lady Ruala fliehen konnte«, erklärte Rialt verbittert. »Seid Ihr in Ordnung, Herr?«
»Das werde ich bald sein.« Er half Riyan auf die Füße.
Rialt schickte sich an, zur Tür zu gehen. »Wir müssen sie finden, aber die Göttin allein weiß, wie viel Zeit sie hatten, um zu verschwinden.«
»Und was schlägst du vor, wo wir suchen sollen?«, fragte Riyan matt. »Es ist hoffnungslos, Pol. Du und ich, wir wissen beide noch aus unserer Kindheit, dass es in Stronghold unzählige Orte gibt, an denen man sich verstecken kann.«
»Folgt doch einfach der Spur gefällter Diener und Wachen«, schlug Rialt vor.
Pol schüttelte den Kopf. »Wenn sie erst einmal hier heraus sind, muss sie nur Ruala zwingen, ruhig zu bleiben. Wer sieht schon zweimal hin, wenn eine Dienerin einer Dame an einen Ort hilft, wo sie ausruhen kann?«
»Aber aus dem Schloss kommen sie nicht«, beharrte Rialt. »Riyans Befehl an die Wachsoldaten …«
»Sie ist an uns dreien vorbeigekommen. Welche Schwierigkeiten bedeuten schon ein paar Wachen? Wir könnten Stronghold auf den Kopf stellen und würden sie nicht finden, außer mit sehr, sehr viel Glück. Du hast selbst gesagt, dass wir nicht feststellen können, wohin sie sind.«
Rialt nickte unglücklich. Er trat an einen Nachttisch und schenkte Wein aus einer Karaffe ein, die dort stand. Pol sah sich um und erkannte plötzlich, in wessen Zimmer sie waren. Meiglan lag in einer Wolke aus weißer Seide und Spitze dort und sah aus wie das unschuldige Mädchen, für das er sie bis gestern noch gehalten hatte. Abwesend nahm er einen Weinkelch von Rialt entgegen und wollte gerade trinken, als Riyan ihm den Kelch aus der Hand schlug.
»Riech daran«, sagte er und hielt ihm seinen eigenen Kelch entgegen. »Ich habe in der Schule der Göttin zwar nicht viel Talent in Medizin gezeigt, aber ich habe zumindest gelernt, gewisse Gerüche zu erkennen. Ein Schluck davon, und Ihr hättet bis Mittag am Boden gelegen.«
Da er die Nase seiner Mutter für Wein nicht geerbt hatte, konnte Pol nichts Außergewöhnliches ausmachen. Aber ihn beschäftigte viel mehr die Frage, warum der Wein versetzt war und für wen er gedacht war. Er starrte Meiglan an. Sie
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