Sternenlaeufer
davor?«
»Vor dem, was sie den Menschen antut. Deine Mutter und Morwenna und Maarken und Hollis, sie alle freuen sich so an dem, was sie tun können. Sie genießen es, fliegen zu können. Andry nicht. Vielleicht ist es ihm einmal möglich gewesen. Aber jetzt nicht mehr. Man kann es aus seinen Augen sehen. Er hat gelernt, seine Gaben zum Töten einzusetzen.« Sionells blaue Augen wurden durchdringend. »Wie ist es mit dir, Pol? Wie viel Freude wirst du an deiner Macht haben, wenn du sie erst dazu benutzt hast, deinen eigenen Bruder zu töten?«
»Was kann ich sonst tun? Warum machst du es noch schlimmer für mich? Willst du es mir heimzahlen?«
»Glaubst du, ich wäre so?«, fuhr sie ihn an. »Dass ich absichtlich …« Sie brach ab, beruhigte sich mit sichtlicher Mühe und schloss: »Ich habe das gesagt, weil ich nicht zusehen will, wie du genauso wirst wie Andry. Ohne Freude in deinen Augen.«
Das tat weh. »Ell …«
»Ich schulde Loyalität in erster Linie deinem Vater, als meinem Prinzen, aber eines Tages wirst du an seiner Stelle sein, gleichzeitig der Hoheprinz und ein Lichtläufer. Ich möchte sehen, dass du wirst, was du sein kannst, nicht das, was die Ereignisse aus dir machen.« Sie sah aus, als wollte sie noch mehr sagen, zuckte aber nur mit den Achseln.
»Deine Sorge gilt also der Frage, wie dein künftiger Prinz sein wird«, meinte er verbittert, und wieder schmerzte ihn die Erkenntnis, dass er ihre Liebe verloren hatte. Für sie war er jetzt eine politische Realität, und sie sah weniger den Menschen in ihm. Aber es war seine eigene Schuld; er hatte alles zerstört, was sie vielleicht noch für ihn empfunden hatte. Etwas in ihm flüsterte, dass es so besser war. Tallain verdiente all ihre Liebe. Aber es schmerzte; gütige Göttin, wie weh es tat, dass er wusste, dass seine eigenen Worte ihm den Teil von ihr geraubt hatten, von dem er immer geglaubt hatte, er gehöre nur ihm.
Er stand auf und fühlte sich jetzt erschöpfter als nach dem anstrengenden Lichtlauf. »Hab Dank für deine Ehrlichkeit. Was hat Mutter noch zu dir gesagt, als wir klein waren? Dass ein Prinz, der andere daran erinnert, kein richtiger Prinz ist? Und wie viel weniger ist er ein Prinz, wenn er sich von anderen daran erinnern lassen muss! Wenn du mich bitte entschuldigst, ich habe noch Vorbereitungen zu treffen für den bevorstehenden Akt des Brudermords.«
»Hör auf damit, Pol!«
Aber er ging schon fort von ihr und suchte die schattige Stille eines kleinen Hains nahe der Grotte auf, aus der sie gekommen war. Sie folgte ihm nicht. Und das schmerzte vielleicht am meisten.
»So«, höhnte Miyon. »Meiner kleinen Gewächshausrose, die so sorgfältig gehegt wurde, sind also Dornen gewachsen.«
Meiglan erstarrte. Miyon lächelte auf sie herab, wie sie da auf dem flachen Fels neben dem Teich in der Grotte saß. Dass er sich leise genähert hatte, hatte sie mehr erschreckt, als wenn er sich ihr Wut brüllend genähert hätte. Gut.
»Du hast nur wenig brauchbaren Verstand, aber das sollte reichen, um zu begreifen, dass du mir dadurch nicht lieber geworden bist. Hast du einmal überlegt, was passiert, wenn du keine edlen Verbündeten mehr hast, die dich schützen?«
Sie sah aus, als wäre ihr übel, und ihre Haut färbte sich leicht grün.
»In Castle Pine wird niemand zu deiner Rettung herbeieilen, wenn ich dir die Haut von den Knochen peitsche.«
»Ich gehe nicht. Ich bleibe hier.«
Ihr Trotz erzürnte ihn, aber er zwang sich zu lachen. »Gütige Göttin, das Kind hat tatsächlich ein Gehirn! Ja, du wirst hierbleiben! Kannst du dir denken, warum?«
»Bleiben?«, hauchte sie. »Du willst mich wirklich bleiben lassen?«
Miyon baute sich vor ihr auf, und Drohen trat an die Stelle seines Lachens.
»Bis zum Rialla in Drachenruh. Und danach wirst du dort bleiben. Als Pols Gemahlin.«
Meiglan starrte ihn verständnislos an. Der Atem kratzte in ihrer Lunge, und sie zitterte wie ein gefangenes Tier.
»Er kann den Blick nicht von dir wenden. Es müsste recht einfach für dich sein, ihn dazu zu bringen, dich zu seiner Erwählten zu erklären. Benutze deinen eben entdeckten Verstand. Denn nur als seine Gemahlin wirst du sicher sein.«
Ihre stumme Angst machte ihn schließlich doch wütend. Er riss sie an den Schultern hoch und schüttelte sie, bis ihre Glieder klapperten. Aber sie schrie nicht auf, was ihn nur noch wütender werden ließ.
»Hast du verstanden? Hast du gehört, was ich gesagt habe, du Tochter einer Hure? Deine
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