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Sternenlaeufer

Sternenlaeufer

Titel: Sternenlaeufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Rawn
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nie wieder Angst vor ihm zu haben. Das verspreche ich dir.«
    Der Klang ihres Kindheitsnamens war von solcher Süße, dass ihr Tränen in die Augen traten. Und wieder überraschte sie sich selbst, denn vor ihrem Vater hatte sie nicht geweint, nicht einmal, als er sie geschlagen hatte. Aber jetzt … Ein Schluchzer erstickte sie fast. Er kam als ein leises Stöhnen über ihre Lippen, und sie wandte sich ab.
    »Glaubt Ihr mir nicht?«, fragte er.
    Sie zwang sich, ihm zu antworten. »Wenn Ihr es sagt, dann muss es wahr sein.«
    Seine Hände ruhten leicht und zärtlich über den blauen Flecken auf ihren Schultern. »Es hilft mir, wenn ich weiß, dass Ihr Vertrauen zu mir habt. Davon scheint man mir nicht allzu viel entgegenzubringen.«
    Sie riskierte einen Blick über die Schulter. Sein Gesicht war nachdenklich und ernst. »Wie könnte irgendjemand Euch nicht vertrauen?«
    Ihre ehrliche Überraschung ließ ihn lächeln, und er wandte sich ihr zu. »Ihr seid die unschuldigste Person, der ich je begegnet bin. In Euch ist keine Täuschung, nicht wahr? Nichts von der stolzen Klugheit, die mich umgibt und die ich, so schmeichle ich mir jedenfalls, selbst besitze.«
    Sie erinnerte sich an den Spott ihres Vaters und errötete.
    »Das ist der Unterschied zwischen mir und meinem Vater«, fuhr er fort. Er sprach jetzt mehr zu sich selbst als zu ihr. »Er verfügt über eine Geduld, um die ich ihn beneide, die ich aber nie besitzen werde. Es ist die Geduld der List. Aber ich fühle mich damit nicht wohl. Ich kann es ihm nicht gleichtun.«
    Sie bemühte sich, ihn zu verstehen. »Ihr habt Eure eigene Art, Dinge zu tun, Herr.«
    Er fuhr fort, als hätte sie nichts gesagt. »Ich glaube, er fühlt die Dinge tiefer, als ich es tue. Er nimmt sie persönlich. Nicht in dem Sinne, dass er beleidigt ist. Aber er fühlt sich wohl immer irgendwie verantwortlich, selbst wenn er es nicht ist. Ich habe nicht den Mut, mir das aufzuerlegen. Ich weiß nicht, wie er es macht, offen gesagt. Oder warum. Ich habe weder Geduld noch Kraft, um so zu kämpfen, wie er es tut.«
    »Aber Ihr seid nicht für alles, was schiefgeht, verantwortlich«, versuchte sie es. Sie mühte sich, ihn zu begreifen. »Euer Weg ist besser als seiner.«
    »Glaubt Ihr?« Ihre Antwort war ihm wirklich wichtig. Und sie gab sie ohne Zögern.
    »Ja, Herr. Ihr seid nicht Euer Vater. Eure Kämpfe sind nicht die seinen.«
    »Und heute Abend steht mir ein Kampf bevor, an dem er nicht teilhaben kann.« Wieder berührte Pol ihr Haar. »Meggie, anschließend, wenn ich das überlebe …«
    »Natürlich überlebt Ihr! Ihr müsst!« Sie konnte sich nicht vorstellen, was geschehen mochte, wenn es nicht so war; die bloße Vorstellung ängstigte sie zu Tode.
    Ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht, und seine Miene wurde sanfter. »Habt Dank. Ob Ihr das nun gesagt habt, weil Ihr wisst, dass ich genau das hören musste, oder weil Ihr es wirklich glaubt, auf jeden Fall danke ich Euch.«
    »Ich glaube an Euch, Herr. Ihr werdet siegen.«
    Es musste so sein.
    Pol beugte sich zu ihr herunter und küsste ihren Mund: zuerst sanft und ruhig, aber mit wachsender Leidenschaft, die nicht einmal eine unerfahrene Jungfrau falsch deuten konnte. Als seine Lippen langsam ihren Hals hinabfuhren, stieß sie einen leisen Seufzer aus und erschauderte.
    Sie war verwirrt, als er wieder in ihre Augen sah. Hatte sie etwas Falsches getan? Musste sie etwas sagen, etwas tun?
    »So unschuldig«, flüsterte er. »Du bist unschuldig, Meggie.«
    Ihre Wangen brannten wieder. Natürlich war er an Frauen gewöhnt, die wussten, wie man einen Mann küsst. Er war der erste Mann, dem sie begegnete. Sie schämte sich, dass dies für ihn so offensichtlich war.
    Er lächelte sie jetzt an. Es war ein trauriges Lächeln, das alle Gefühle bis auf ihre neu entdeckte Liebe zu ihm dahinschmelzen ließ. Er war mächtig; er würde sie mit seiner Klugheit und seiner Kraft beschützen; sie würde sicher sein. Das Gefühl war ihr ebenso fremd wie die Liebe, wie das plötzliche Verlangen, das sie durchzog, während sie zu seinem sanft geschwungenen Mund emporblickte.
    »Darf ich heute Nacht zusehen, Herr, wenn Ihr mit Eurem Feind kämpft?« Überraschung erschien auf seinem Gesicht. »Ich möchte Euch gewinnen sehen.«
    »Du glaubst das wirklich, nicht wahr?«, staunte er.
    »Ja, Herr.«
    Er lächelte wieder. »Meggie, mein Name ist Pol. Sag es, für mich.«
    Sie tat es. Schüchtern. Zum ersten Mal in ihrem Leben erwachte ihr weiblicher Instinkt,

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