Sternenlaeufer
Mutter hat Intrigen angezettelt, um Prinzessin zu werden. Du wirst Höchste Prinzessin sein, wenn dieser Drachenabkömmling, der Pol gezeugt hat, erst einmal tot ist. Das ist für dich die einzige Möglichkeit, dein Leben zu retten.«
»Und deines«, hauchte sie, und das Leuchten kehrte in ihre Augen zurück.
Miyon ließ sie zu Boden fallen, wo sie wie eine Stoffpuppe zusammensackte. »Ich fürchtete schon, ich müsste noch zur Babysprache übergehen«, fuhr er sie an. »Du hast ganz Recht, mein Schatz. Rohan kann wohl kaum den Vater der Gemahlin seines Sohnes hinrichten.«
»Nein.« Aber das war nicht Zustimmung zu seiner Analyse, sondern Trotz.
»Du wirst es tun«, erklärte er. »Du wirst ihn heiraten und mit ihm ins Bett gehen und die perfekte kleine Prinzessin für ihn abgeben. Möge die Göttin ihm gnädig sein!« Diesmal lachte er wirklich. »Eine Maus hat mehr Temperament, ein Pflugelch mehr Verstand! Du besitzt Schönheit und Musik, das ist alles. Das ist ohne Nutzen für einen Prinzen. Er wird allein herrschen. Du wirst nie einen Wert für ihn haben, außer wenn es darum geht, seine Erben auszutragen und ihn mit deiner Laute in den Schlaf zu singen.«
Sie zuckte zusammen, aber in ihren Augen war irgendetwas. Irgendetwas. Er durfte seinen Vorteil ihr gegenüber, den er ihrer Angst verdankte, jetzt nicht verlieren, sonst würde sie seine eigene Furcht erkennen. Sein Leben lag in der Hand dieser Tochter, die er so verachtete. Sie hielt jetzt die Peitsche; er konnte nicht zulassen, dass sie sie in ihren Fingern spürte.
»Nein«, wiederholte sie. Diesmal lauter. »Ich werde das nicht tun. Sionell wird mich beschützen … Sie ist meine Freundin, sie hat das gerade eben gesagt …«
»Tapferer Versuch«, höhnte er. »Es gibt da nur ein Problem. Du willst Pol. Nicht wahr, du süße, kleine Blume? Das willst du doch!«
Jetzt hatte er sie. Es war nicht so wichtig, warum sie ihm gehorchte, ob aus Angst vor ihm oder aus Liebe zu Pol, solange sie nur gehorchte. Und das würde sie, oder sie würde den Sohn des Drachen für immer verlieren. Sie senkte den Kopf auf die Knie und zitterte, aber kein Stöhnen kam über ihre Lippen, sondern ein »Ja«.
Zufrieden blickte Miyon noch einen Moment auf sie hinab. Dann zerrte er sie an den Schultern wieder hoch. »Künftige Höchste Prinzessinnen vergraben ihr Gesicht nicht im Schmutz«, spottete er. »Nicht einmal ihren Vätern gegenüber.«
Sie schaute zu ihm auf, und in ihren dunklen Augen funkelte ein Rest des Mutes von diesem Morgen. Er schlug ihr ins Gesicht, so dass ihr Kopf zur Seite flog und er ihr fast die Nase gebrochen hätte.
»Vergiss das nicht«, murmelte er und ließ sie los. Sie taumelte, aber es gelang ihr, sich auf den Beinen zu halten. Mit einem letzten, verächtlichen Blick, der seine Erleichterung verbarg, machte Miyon auf dem Absatz kehrt und marschierte davon.
Meiglans Knöchel schmerzte, als sie zum Teich humpelte. Sie kniete nieder, um ihr Gesicht abzuspülen, und weinte leise, als ihre zerkratzten und blutigen Hände mit der Kälte in Berührung kamen. Das Wasser, das ihr vom Gesicht tropfte, färbte sich dunkel. Ihre Wange brannte, und ihre Nase war fast gefühllos. Mit Bewegungen, die nach einer Weile ganz automatisch wurden, spülte sie ihr Gesicht, bis kein Blut mehr floss.
Zum zweiten Mal an diesem Tag wurde sie von einer Stimme hinter sich erschreckt. Aber diese war sanft, besorgt und müde und griff an ihr Herz. »Herrin? Fühlt Ihr Euch nicht wohl?«
Verzweifelt goss sie noch ein wenig Wasser über ihr brennendes Gesicht. Wenn es auch nicht mehr blutete, konnte sie doch fühlen, dass Wange und Nase immer stärker anschwollen. Aber sie konnte ihm nicht aus dem Weg gehen. Also stand sie auf, versuchte, ihren verletzten Knöchel nicht zu belasten, und begegnete seinem Blick mit so viel Stolz, wie sie aufbrachte.
Seine Reaktion kam unmittelbar und erschreckte sie. Seine Augen blitzten vor Wut, und die Lippen wurden zu tödlich schmalen Streifen. Es war ein Gesicht, wie sie es nie zuvor bei ihm gesehen hatte. »Euer Vater?«, verlangte er zu wissen.
Sie nickte hilflos. »Ich will nicht nach Castle Pine zurückgehen! Niemals mehr!«
Er trat zu ihr. Sprühregen aus dem Wasserfall sammelte sich in seinem Haar. Als er aus dem Schatten in einen Sonnenstrahl trat, der durch die Bäume fiel, leuchteten die Tropfen wie eine Krone aus winzigen Regenbogen. »Ach, Meggie«, flüsterte er und strich ihr die Locken aus der Stirn. »Du brauchst
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