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Sternenschatten

Sternenschatten

Titel: Sternenschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Geometer?
    Ich wurde in den kleinen runden Raum mit dem Gitterboden ausgespuckt. Das Wasser brauste heulend über mich hinweg und rauschte weiter die Kanalisation entlang. Ich blieb liegen und sah mich um. Hier war niemand. Was irritierte mich dann?
    In mir keimte ein ganz zarter Verdacht auf.
    Nein, das war undenkbar! Unmöglich!
    Aber hatten sie den Körper des Ausbilders Fed womöglich doch noch nicht gefunden?
    Zählten sie ihn vielleicht immer noch nicht zu den Toten, mich aber nicht mehr zu den Lebenden?
    Wer kontrolliert schon einen Ausbilder? Schließlich ist er ja über jeden Verdacht erhaben! Wenn der Ausbilder Fed beschlossen hatte, das Internat zu verlassen, dann war das eine zutiefst schmerzliche, jedoch absolut persönliche Entscheidung. Er würde zurückkommen und es erklären. Sicher, Katti hatte mich gesehen … noch dazu sowohl in der Gestalt Nik Rimers als auch in der Feds und meiner eigenen. Ob man ihr vielleicht einfach nicht geglaubt hatte? Oder sollte sie den Vorfall verschwiegen haben?
    Kaum anzunehmen.
    Auch die Jagd auf meinen Scout ließ sich durchaus erklären. Da näherte sich ein Schiff und behauptete, in ihm sitze der Regressor Nik Rimer. Dabei war doch allen bekannt, dass der Regressor Rimer gestorben war, als er sich im Sanatorium befand.
    Seltsam … komisch … aber gut möglich.
    Ich ging zur Schachtöffnung und stellte mich kurz unter den festen, breiten Strahl. Die Apathie und Gleichgültigkeit wichen von mir, wurden von der kalten Dusche fortgespült.
    Komm schon, Petja … durchlauf diesen Kreis bis zum Ende.
    Ich packte die kalten Bügel und kletterte die Filteranlage hoch. Unter der Luke wartete ich einen Moment in einer unbequemen gekrümmten Stellung.
    Alles schien still zu sein. Ab und an meinte ich etwas zu hören, aber so leise und vage, dass es wohl eher das Blut war, das in meinen Schläfen rauschte.
    Ich stemmte den Deckel nach oben, eine Handvoll Erde rieselte mir in den Ausschnitt, ich steckte den Kopf hinaus und fand mich unter der Kuppel wieder.
    »Huch!«
    Ein zarter Schatten huschte direkt vor meiner Nase vorbei. Beinahe hätte ich meinem ersten Impuls nachgegeben und ihn geschnappt und festgehalten.
    So war es ja immer. Am einfachsten war es, etwas zu schnappen und festzuhalten.
    Stattdessen öffnete ich jedoch meine Hand, und das orangefarbene Licht des Samens vertrieb die Dunkelheit.
    Der rotblonde Junge, der da vor mir zurückwich, gegen einen Baum stieß und daraufhin erstarrte, tastete unbeholfen mit den Händen nach dem Weg. Ich erkannte ihn auf Anhieb. Etwas in mir verkrampfte sich.
    »Till, hab keine Angst«, bat ich leise und kletterte endgültig aus dem Schacht heraus. Mit dem Fuß schob ich den Deckel wieder an seinen Platz. Der Junge beobachtete meine Bewegungen, allerdings ohne sonderliches Interesse.
    Wahrscheinlich kannten alle Kinder im Internat dieses Große Geheimnis, den Filterschacht der Kanalisation.
    »Ich habe keine Angst«, antwortete der Junge mit gedämpfter Stimme. »Wer sind Sie denn?«
    »Ein schrecklicher Erdgeist.«
    Er lächelte zaghaft.
    »Und wenn du schreist, zerfalle ich in meine Einzelteile und verwandle mich in verfaultes Holz«, fuhr ich fort. Ich ging in die Hocke. Mit Kindern ist es wie mit Hunden … Verzeiht mir, ihr Geister von Pestalozzi und Makarenko. Aber man darf sie nicht dominieren. Man darf sie nicht durch die eigene Größe einschüchtern.
    Schon gar nicht, wenn man mitten in der Nacht aus der Erde auftaucht, durchweicht, schmutzig und mit einer tierischen Entschlossenheit im Gesicht.
    »Ich werde nicht schreien. Ich habe keine Angst.«
    »Warum hast du denn geweint?«
    Till rieb sich rasch die Augen mit dem Hemdsärmel ab. Er antwortete jedoch völlig ruhig, wenn auch leicht verärgert: »Kennen Sie das nicht? Manchmal … möchte man einfach weinen.«
    »Das kenne ich, Till«, antwortete ich. »Es war eine dumme Frage. Entschuldige … dass ich dich gestört ha be.«
    »Macht nichts.« Der Junge hockte sich jetzt ebenfalls hin, hielt aber Abstand zu mir. »Und wer sind Sie? In Wirklichkeit, meine ich.«
    »Ein nasser und hungriger Landstreicher. Er ist draußen herumgelaufen, dieser arme Kerl, schon ganz blau vor Kälte und zittert am ganzen Körper. Kennst du das?«
    Nein, natürlich kannte er das nicht. Die Geometer haben keine angestaubten Weihnachtsgeschichten. Till sah mich an, als suchte er in meinem Gesicht nach vertrauten Zügen. Aber woher sollte er den toten Regressor Nik Rimer kennen?
    »Sind Sie

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