Sternenschatten
alles in Ordnung ist?
»Glauben Sie nicht, dass ich noch zu klein bin«, sagte Till aufgebracht. »Ich kenne mich sehr gut aus in Geschichte. Vor allem im Burgenzeitalter. Die anderen Jungen und ich, wir spielen es sogar nach …« Plötzlich sank seine Stimmung auf den Nullpunkt. »Laki ist sogar noch besser in Geschichte als ich«, gab er selbstkritisch zu. »Und Fal, das ist ein Künstler. Wenn er einen Baron oder einen Priester spielt, nimmt man ihm das sofort ab. Man vergisst sogar, dass das alles nicht echt ist. Außerdem redet er keinen Quatsch. Und nie verhaspelt er sich. Mir passiert das manchmal.« Nach einer kurzen Pause fuhr er unsicher fort: »Grik versteht viel von der alten Technik … wenn es dort schon Maschinen gab …«
Der Junge war schon dort. Auf dem Planeten der zukünftigen Freunde, bei denen ein Regressor so schnell wie möglich mit der Arbeit loslegen sollte. Na gut, so schnell nun auch wieder nicht … schließlich wollte er dort erst mal ein Weilchen leben … so tun, als habe er eine Familie.
»Ob es dort auch große Familien gibt?«, fragte Till.
Wo dort, mein Junge? Auf dem Planeten Erde? Das kommt ganz darauf an. Aber diesen Planeten wird es bald nicht mehr geben. Nein, Quatsch, ich habe ja den Samen, wir treten in den Schatten ein, und alles wird gut. Alle Entarteten kriegen eine Welt nach ihrem Gusto, jeder Politiker erhält seine Bühne, und ohne Idioten und Politiker wird es sich endlich leben lassen … Ich könnte dich sogar mit zur Erde nehmen. Deine Freunde vielleicht auch. Mein Großvater würde sich vermutlich über das neue pädagogische Kampffeld freuen …
»Pass auf, Till, ich gebe dir jetzt noch keine Antwort, ja?«, schlug ich vor.
Er wurde wieder ganz aufgeregt. Er hegte offensichtlich keinen Zweifel, dass er mit jeder seiner Hypothesen den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Haben Sie da eine Taschenlampe?«
»Etwas in der Art.«
»Darf ich sie mal sehen?«
»Besser nicht. Noch nicht.«
Till nahm die Zurückweisung gleichgültig hin. Für ihn war dieser Feuerball nur eine ungewöhnliche Taschenlampe – also nichts im Vergleich zu der Perspektive, die sich ihm da gerade eröffnet hatte.
»Was sitze ich denn hier rum?«, sagte er plötzlich sehr ernst. »Sie sind ja schon ganz durchgefroren. Und bestimmt wollen Sie auch etwas essen?«
»Richtig geraten.«
»Gehen wir.« Till sprang auf und fasste mit einer bewusst beiläufigen Geste nach meiner Hand. »Schnell! Wir verstecken Sie in unserem Zimmer.«
»Und wie kommen wir am Posten vorbei?«, wollte ich wissen.
»Heute hat Fal Aufsicht«, erklärte mir Till lächelnd. »Er wird uns nicht melden. Was glauben Sie denn, wie ich mitten in der Nacht rausgekommen bin?«
»Und was ist mit den Kameras? Till, mein Junge, das ganze Internat wird überwacht.«
»Das wissen wir doch«, sagte Till stolz. »Aber wir haben im Moment keinen festen Ausbilder. Wir hatten einen, einen sehr, sehr guten! Den Ausbilder Fed. Aber er ist weggegangen, und wir haben noch keinen richtigen Ersatz bekommen …«
Genau!
Sie hatten Fed also noch nicht gefunden!
Und komisch, auch diesmal empfand ich keine Reue. Im Gegenteil, ich war stolz. Darauf, dass ich in der Gestalt von Fed in nur knapp einer Stunde eine solche Reputation erworben hatte!
»Und die Aushilfsausbilder, die sind so … die passen nicht ordentlich auf … Wir haben da nämlich ein System, damit sie uns nicht sehen können, wenn wir es nicht wollen. Ehrenwort, es wird Sie niemand bemerken!«
Ich war zu müde, um diesen Worten nicht zu glauben. Außerdem hatte Till an meiner Hand offenbar nicht die geringste Absicht, allein abzuziehen.
»Gut. Überredet.«
»Aber schnell«, wiederholte Till. »Fal wird bald abgelöst, da müssen wir schon drin sein …«
Sechs
Ich stand unter der Dusche und genoss das heiße Wasser. Es wäre schön gewesen zu baden, aber was nicht ist, das ist nicht. Hier gab es nur eine Duschwanne auf dem Boden. Niks Zimmer war nicht so asketisch gewesen. Kindern schadete es wohl, ein Bad zu nehmen?
Auf einem kleinen Regal lagen vier identische Stück Seife, standen vier Flaschen Shampoo. Der Flüssigkeitspegel in jeder Flasche war exakt derselbe. Ich stellte mir Till vor, wie er akkurat den vorgeschriebenen Klecks Shampoo abmaß, und schüttelte den Kopf.
Meine Kleidung, die mit mir sämtliche Abenteuer seit meinem Aufenthalt auf dem Planeten der grünen Umweltschützer überstanden hatte, steckte ich in die Waschmaschine. Rimer
Weitere Kostenlose Bücher