Sternenschimmer
von einem Kopfgeld – auf ihn ausgesetzt.« Er schob sich das Haar aus der Stirn. »Übermorgen Abend hole ich ihn auf Vulko ab. Magst du … mitkommen?«
Ich wagte einen der äußerst gefährlichen Blicke in sein Gesicht. »Gern.«
Eine Weile lang gingen wir schweigend nebeneinanderher.
»Erzähl mir von der Erde, Mia.« Ein hoffnungsvolles Lächeln umspielte seine Lippen. Es war so schön, ich konnte es nur unsicher erwidern.
»Der drohende Untergang liegt schon hinter uns«, erklärte ich, während Iason ein herabsegelndes Blatt auffing. Er drehte es zwischen den Fingern und betrachtete es von allen Seiten. Dann sah er auf – und mich an.
»Das klingt gut. Wie habt ihr überlebt?«
Es dauerte eine Weile, ehe ich ihm antwortete. »Indem wir uns zusammenschlossen. Wir haben Techniken entwickelt, mit deren Hilfe wir erneuerbare Energie produzieren können. Es war spät, aber für manche von uns nicht zu spät, als wir begriffen.«
»Also hat sich eure Vernunft im letzten Moment weiterentwickelt?«, fragte er mit wachem Interesse.
»Aber im allerletzten Moment«, sagte ich.
»Ist es heute bei euch so, wie es sich die Menschen früher erträumt hatten?«
Ich überlegte. »Nein. Ich glaube, die Technologie hat sich anders entwickelt, als sie es annahmen. Weißt du, damals dachten die Irden, alles würde immer schneller, höher, größer und damit besser. Sie lebten in dem Glauben, technische Errungenschaften wie Haushaltsroboter und irgendwelche Supermaschinen könnten sie glücklich machen. Dabei haben sie gar nicht bemerkt, wie wertvoll es ist, die Umwelt zu erhalten. Was ihnen fehlen würde, wenn sie alles zugrunde richteten. Die Technologie heute hat sich fast nur in einer Hinsicht verändert. Sie dient allein dem Erhalt, nicht mehr der Zerstörung. An diesem Punkt seid ihr Loduuner wirklich weiter als wir Irden. Wir mussten erst durch bittere Erfahrungen lernen, wie wichtig das ist.«
Iason wiegte den Kopf. »Das hat uns aber auch nicht vor dem bewahrt, was heute auf Loduun geschieht.«
»Nein«, sagte ich nachdenklich. »Wahnsinnige gibt es wohl überall.«
»Und was hat sich verändert?«, fragte er nach einer Weile.
Ich zuckte die Achseln. »Das alles ist schon lange her. Meine Uroma war damals noch nicht mal auf der Welt. Ich habe mal gelesen, es hätte früher außer Vögeln und Insekten auch noch viele andere wilde Tiere gegeben. Heute haben wir fast nur noch Nutztiere. Angeblich war es total günstig, sich ein Haustier zu halten und … ich weiß auch nicht genau, jedenfalls sind die Temperaturen früher unter zehn Grad gesunken. Kannst du dir das vorstellen?« Mich fröstelte es allein bei dem Gedanken.
Iason lachte.
»Was ist denn so komisch?«, fragte ich irritiert.
»Ich musste nur gerade daran denken, dass bei uns das Thermometer nie über fünf Grad steigt.«
»Was?« Entsetzt riss ich die Augen auf. »Ihr müsst haufenweise erfrieren.«
»Nein, es ist angenehm.« Er schmunzelte, als er absolute Ungläubigkeit in meinem Gesicht sah. »Ehrlich. Wir sind daran gewöhnt.«
Iason schaute sich um und betrachtete die satten Baumkronen hinter der Parkmauer. »Es ist schön hier bei euch«, bemerkte er.
Ich drehte meinen Kopf in dieselbe Richtung. »Tja, wir haben uns vieles genommen, aber auch manches gelassen.«
Jetzt erst wurde mir bewusst, dass seine düsterere Ausstrahlung ganz und gar verschwunden schien. Neugier, Lebenshunger und etwas angenehm Sanftes waren an deren Stelle getreten.
»Wie alt bist du eigentlich?«, fragte ich.
»In eurer Zeitrechnung?«
Ich nickte.
Er sah auf die Uhr. Für die Dauer eines winzigen Augenblicks kniff er die Augen zusammen.
»Achtzehn Jahre, vier Monate, zwölf Tage, zwei Stunden, dreiundzwanzig Minuten, vierundvierzig, fünfundvierzig, sechsundvierzig Sekunden, und du?«
»Äh, so genau kann ich dir das leider nicht beantworten.«
Das schien ihn zu wundern.
»Am vierten Dezember wurde ich siebzehn«, sagte ich daher. Falls er es genauer wissen wollte, konnte er es sicher schneller ausrechnen als ich.
»Warum bist du dann in der elften Klasse?«, lenkte ich von mir und meiner Matheschwäche ab.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich denke, die Rektorin wollte mir nicht zumuten, dass ich im Herbst schon den Abschluss mache.«
Mich beschlich das Gefühl, die Abschlussprüfung würde ihm, trotz nicht mal fünf Monaten Aufenthalts auf der Erde, kaum Probleme bereiten. »Und? Hatte sie recht?«
Sein Gesicht zeigte mir, wie absurd er die
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