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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Winter
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herum auszublenden, die Gespräche der Leute, das Rauschen der Klimaanlage vom Parkcafé , das Zwitschern der Vögel … Aber es gelang mir nicht. »Ich glaube, unser Gehör ist einfach nicht so sensibel wie eures.«
    Er lächelte. »Loduuner müssen es auch erst lernen.«
    Wir gingen weiter.
    »Hast du dich auf der Erde schon ein bisschen eingelebt?«, erkundigte ich mich.
    Die Hände in den Hosentaschen, sprang er über eine Pfütze, um neben mir zu bleiben. »Mir geht es gut, Mia. Aber ich mache mir Sorgen um die Kinder.«
    Ich fixierte die Schatten, die unsere Körper vor uns auf den Boden warfen. »Tony hat vorgestern im Schlaf nach seiner Mutter gerufen.«
    Seine Schultern spannten sich an. Etwas verzögert sagte er: »Sie weinen alle um ihre Familien. Jede Nacht. Sie trauern in unserer Sprache, das könnt ihr nicht hören.«
    »Aber du hörst es«, schloss ich daraus.
    Er nickte.
    Unsere Schritte raschelten gleichmäßig und miteinander im Einklang durchs Gras.
    Iason war jetzt seit sieben Tagen bei uns im Tulpenweg. Wie viele Nächte hatte er davon wohl wach gelegen, allein und umringt von all dem Heimweh? Meine Wut auf ihn hatte es bisher nie gestattet, mir über so etwas Gedanken zu machen.
    »Ich glaube, Hope hat eine Freundin in der Schule gefunden«, wechselte er das Thema.
    »Wirklich, das freut mich. Wie heißt sie denn?«
    »Tanischa Minyer.«
    »Soll ich ihre Eltern mal anrufen und sie einladen?«
    »Das habe ich schon gemacht.« Ausladende Palmwedel spendeten uns auf den nächsten Metern Schatten. »Ich hoffe, Hope schafft das alles. Sie ist noch so klein und niemand von uns weiß wirklich, was sie in diesem Lager erlebt hat. Sie redet nicht darüber.«
    Ich erinnerte mich an Hopes schmerzerfülltes Gesicht am Meer, behielt es aber für mich.
    »Wie ist es dazu gekommen? Zu dem Krieg, meine ich.«
    Etwas sehr Ernstes huschte über sein Gesicht. »Lokondra kam durch einen illegalen Handel mit der Erde an Waffen aus einem eurer alten Depots heran.«
    »Es gibt noch Waffendepots auf der Erde?« Das überraschte mich. »Es hieß immer, dass sie nach dem Zusammenschluss der Kontinente und der Vereinigung der Nationen Erde alle vernichtet wurden.«
    Iason sah mich direkt und unverwandt an. Schnell senkte ich den Blick.
    »Jetzt weißt du, warum euch die Ursachen für unseren Krieg nur zum Teil bekannt gegeben werden«, sagte er.
    Meine Schritte wurden schneller. »Welche Waffen hat Lokondra denn?«
    »Was meinst du?«
    »Nun, wir haben früher auf der Erde ganz unterschiedliche Arten davon hergestellt.«
    »Er benutzt Handschusswaffen, Sprengstoff und Granaten.«
    In diesem Augenblick war ich wirklich kurz davor, nach seiner Hand zu greifen, und vielleicht hätte ich es auch getan, wenn da nicht dieses Flimmern aus seinen Augen gekommen wäre, was ihn eher gefährlich als traurig aussehen ließ. »Habtihr auf der Erde etwa noch andere Waffen als die, die Lokondra gegen uns richtet?«
    Das Gewicht seiner Frage machte mir die Antwort schwer. Aber was half es zu schweigen? »Ich bin mir nicht sicher, ob es sie noch gibt, aber früher existierten hier Atomwaffen, die mit einem Mal das gesamte Leben auf der Erde hätten auslöschen können. Angeblich wurden sie alle vernichtet, und der Müll liegt jetzt auf der Venus, aber das hat man über die Waffen, von denen du erzählst, auch gesagt.«
    Iason schwieg. Er malte sich wohl gerade aus, was geschehen würde, falls Lokondra in den Besitz einer solchen Waffe käme. Schlussendlich schüttelte er jedoch den Kopf.
    »Nein, das würde selbst Lokondra nicht tun«, sagte er. »Er ist zwar wahnsinnig, aber kein Selbstmörder. Loduun ist nicht groß. Keine vierzig Millionen Leute leben dort, das ist weniger als ein Zehntel der irdischen Bevölkerung.«
    Die Überzeugung, die in seinen Worten mitschwang, machte mich sehr nachdenklich. Iason schien nicht der Typ, der sich Missstände schönredete, nein, er musste sich wirklich sicher sein. Was in erster Linie natürlich sehr beruhigend war, in der Tat. Bedeutete es nicht zuletzt, dass den Loduunern, die diesen Krieg überlebten, wenigstens eine Welt blieb, auf die sich wieder aufbauen ließ, die nicht auf Jahrzehnte hin verseucht wäre. Was es aber auch hieß – und das fand ich das Alarmierende daran – war, dass Lokondra, der ohne jeden Zweifel der Wahnsinnigste und Abartigste war, den ich mir überhaupt vorstellen konnte, nach Iasons Überzeugung dennoch nicht so wahnsinnig und abartig zu sein schien wie die Irden

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