Sternenschimmer
dich als Wiedergutmachung zum Essen einladen?«
Ich musste ordentlich irritiert wirken.
»Ich weiß, es ist noch früh, aber es gibt da etwas, das wir vorher … erledigen sollten.«
»Jetzt?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ein Tag Schule mehr oder weniger. Du scheinst recht intelligent, da …«
»Ich bin sehr intelligent«, verbesserte ich ihn.
Er lächelte vorsichtig. »Na, dann dürfte dir einmal Schwänzen doch nicht schaden.«
Iason verstörte mich zunehmend. Seine Schroffheiten hatten mich zwar verletzt, mir aber auch genügend Raum gelassen. Raum, den ich in seiner Nähe dringend brauchte. Diese sanfte Seite war viel gefährlicher.
»Wo willst du denn hin?«
»Das siehst du dann.«
Eine Überraschung, mutmaßte ich. »Dein Gewissen muss ja ordentlich schlecht sein.«
»Ist es auch.«
Da lag etwas Seltsames in seiner Stimme. Fast etwas Flehendes. Wow!
»Jetzt mach es mir doch nicht so schwer.«
»Oh, ich vergaß. Du bist ja vom Clan des Stolzes.«
»Eben.«
Ich seufzte voller Genugtuung, warf mir das Haar zurück über die Schultern und ging mit geradem Rücken an ihm vorbei die Stufen hinab. Als ich merkte, dass er mir nicht folgte, wandte ich mich zu ihm um. »Was ist? Hast du es dir anders überlegt?«
»Nein!« Er schüttelte den Kopf und schloss zu mir auf.
Unser Ziel sollte nur eine halbe Stunde entfernt sein. Da die Kuppeldächer offen waren und ein strahlend blauer Himmel das Gefühl von unendlicher Weite versprach, beschlossen wir, das sonnige Wetter auszunutzen, und machten uns zu Fuß auf den Weg.
Iason gab die Richtung vor. Erst ging es mit dem Rollband zwei Terrassen tiefer. Dort folgten wir einem leichten Kunststoffweg. Unterwegs hörte er nicht auf, sich umzuschauen. »Eure Gebäude sind faszinierend, sie reichen so weit in den Himmel und auch in die Erde hinab. Überall riecht es anders.«
»Wir müssen Platz sparen. Es gibt nicht mehr so viel Fläche, die wir bewohnen können.«
»Und die Gerüche?«
»Reine Marketingstrategie«, erklärte ich. »Ein guter unterschwelliger Duft schafft Wohlbefinden. Er fördert das menschliche Leistungsvermögen und zugleich die Kaufbereitschaft.«
» Unterschwellig? Hier riecht alles übertrieben und unecht.«
Ich lächelte. »Wahrscheinlich sind die Duftspender nicht aufloduunische Supernasen ausgerichtet. Tja, ihr seid halt eine zu kleine Zielgruppe.«
Er steuerte auf den Außenaufzug eines mit Kunststoffplatten verkleideten Medical-Centers zu.
»Es sind fünfzehn Stockwerke«, entschuldigte er sich, als er mein Zögern bemerkte.
Also ging es ganz nach unten. Da ich nicht wie ein Feigling dastehen wollte, stieg ich ein.
»Dann magst du also wirklich keine Aufzüge?«, fragte er, als sich die Türen schlossen.
»Hab ich dir doch bei unserer letzten Fahrt schon gesagt.«
»Ich …« Er klang ein wenig verlegen. »Ich dachte, das wäre auf mich gemünzt gewesen.«
Unten angekommen, bogen wir in den Stadtpark ein.
Iasons Anwesenheit war mir so präsent, ich nahm kaum etwas anderes um mich herum wahr. Alles an ihm verführte mich, ihn nur ein Mal ganz kurz zu berühren. Aber ich traute mich nicht. Und wahrscheinlich war das auch besser so. Denn da war auch diese Angst – vor Iason selbst und davor, wie er reagieren würde. Manchmal, und in diesem Fall war ich mir sicher, gab Angst auch einen ziemlich effektiven Schutzschild ab. Verstohlen äugte ich zu ihm hinüber.
»Auf Loduun sind die Bäume fast doppelt so hoch«, erklärte er und deutete nach oben.
»Sehen sie wie unsere aus?«
»Nicht ganz. Und sie wirken auch nicht so gemalt.«
»Das bisschen Natur, was wir unter der Kuppel noch haben, wird sehr gehegt. Ein letztes Fleckchen vergangener Zeiten. Parks sind die Orte, an denen es noch aussieht, wie es früher war. Jedoch wollen die meisten nur an das Schöne erinnert werden. Da darf kein welkes Blatt sein.«
»Eure Bäume sprechen lauter als unsere.«
»Sprechen?« Irritiert hielt ich inne. Er blieb ebenfalls stehen. »Du meinst das Rauschen der Blätter?«
Er schüttelte den Kopf und legte einen Finger an den Mund. »Sei ganz still. Dann hörst du sie auch.«
Ich lauschte eine Weile angestrengt. Außer dem Wind in den Zweigen vernahm ich nichts. Also zuckte ich verständnislos die Schultern.
»Das ist reine Konzentrationssache. Schließ die Augen und versuch es noch mal.« Ich mochte seine ruhige Art, unaufdringlich und doch ganz klar. So senkte ich die Lider, bemühte mich, all die anderen Geräusche um mich
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