Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
Kinder für sich arbeiten lassen, Menschen ausbeuten, bis sie in ihren Minen und Fabriken tot umfallen, während sie unseren Planeten vernichten. Wie erfolgreich könnten da die Sternenbestien agieren, wenn sie sich nicht mehr im Verborgenen halten müssten?«
»Wenn dem so ist, warum verkünden die Bestien nicht, wer sie sind? Was haben sie zu verlieren?«
»Vermutlich aus denselben Gründen wie wir. Sie fürchten genau das Gegenteil. Dass die Menschen sich angesichts solch einer Bedrohung besinnen und sich für das Gute entscheiden. Es ist ein Risiko, das sie nicht bereit sind einzugehen, solange sie auch im Geheimen ihre Ziele erreichen und ihre Triebe befriedigen können.«
Lilly nickte und dachte an Ansgar. Es traf zwar zu, dass sie nur Splitter eines größeren, für sie unbegreiflichen Wesens waren und auch in ihren irdischen Körpern miteinander in Verbindung standen, aber nicht alle waren damit glücklich. Ansgars einziger Wunsch war gewesen, dem endlosen Zyklus aus Wiedergeburt und Schwärze zu entrinnen. Trotzdem stimmte sie der Rektorin zu.
»Bevor Sie Ihren Eid sprechen, muss ich Sie noch über die Konsequenzen eines Eidbruchs informieren. Alle Sternenhüter werden über den Beginn Ihrer Ausbildung in Kenntnis gesetzt. Sollten Sie gegen unsere Regeln verstoßen, wird Ihr Name auf eine Todesliste gesetzt werden, womit jeder Sternenhüter und jede Sternenseele nur noch ein Ziel kennt: Sie zu töten.«
So schockierend diese Worte auch klangen, blieb Lilly doch erstaunlich ruhig. Im Grunde änderte sich an ihrer Situation nichts. Diese Todesdrohung hatte sie bereits zuvor erhalten, und nur die Tatsache, dass es erneut laut ausgesprochen wurde, hinterließ ein leicht mulmiges Gefühl bei ihr.
13
† M adame Favelkap sah sie prüfend an, als Lilly jedoch keine Reaktion zeigte, seufzte sie leise. »Gut, dann sprechen Sie mir nach. Hiermit gelobe ich, eher zu sterben, als das Geheimnis um die Sternenseelen zu lüften, und mit niemandem außerhalb des Kreises der Eingeweihten über das zu sprechen, was ich gelehrt werde. «
Ohne Zögern sprach Lilly die Formel nach, wobei sie etwas Enttäuschung über deren Schlichtheit empfand.
Daraufhin glätteten sich die Gesichtszüge der Sternenhüterin etwas, und ihre Strenge wurde durch ein mildes Lächeln abgemildert. »Der Unterricht ist hart, vor allem, da ich nicht zulassen werde, dass Sie deshalb Ihre schulischen Leistungen vernachlässigen. Für uns ist es nur von Vorteil, wenn wir in hohe Positionen aufsteigen und dadurch mehr Einfluss nehmen können.«
»Sind Sie aus diesem Grund Rektorin geworden?«
»Ist das nicht offensichtlich? Aber zurück zu Ihnen. Sie werden alles, was ich Ihnen sage, auswendig lernen. Sie dürfen dabei Aufzeichnungen machen, die Sie aber sorgfältig hüten und spätestens nach einer Woche vernichten müssen. Niedergeschriebene Texte sind eine Gefahr. Zu leicht können sie gestohlen werden.«
Das war zwar verständlich, aber die Vorstellung, alles auswendig zu lernen, klang nicht sehr vielversprechend. Einer der Gründe, warum sie Mathematik und Physik so mochte, war, dass es dabei in erster Linie um das Verständnis und nicht das Herunterbeten von Fakten ging.
»Zum einen werden wir uns mit der Geschichte der Sternenseelen und -hüter befassen«, fuhr Madame Favelkap fort. »Angesichts Ihrer unzureichenden Noten in Geschichte wird das für Sie vermutlich ein unliebsamer Aspekt der Ausbildung sein. Trotzdem ist dies von besonderer Wichtigkeit. Sollten Sie es jemals bis zur fertigen Sternenhüterin bringen, wird eines Tages vielleicht Ihnen die Aufgabe zukommen, jemanden auszubilden. Alles, was Sie dann vergessen haben, wird womöglich für immer in Vergessenheit geraten.«
Lilly schluckte. So hatte sie das noch nicht betrachtet. In der heutigen Zeit empfand sie das stumpfe Auswendiglernen von Fakten oft als Zeitverschwendung. Wozu sich das Gehirn mit Jahreszahlen vollstopfen, wenn man mit einem Klick im Internet alle benötigten Informationen fand? In diesem Fall war es jedoch anders.
Der vertraute Ton, der den Eingang einer E-Mail verkündete und in diesem Moment von dem PC auf dem Schreibtisch der Rektorin ausging, stand im krassen Gegensatz zu der altertümlichen Art der Überlieferung des Wissens der Sternenhüter. »Werden Sie mich prüfen? Und wie soll ich erkennen, ob ich nicht etwas vergessen habe?«
Madame Favelkap stand auf, ging zu einem schmalen Beistelltisch an der Wand und schaltete den dort befindlichen
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