Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
über, dass nun die Rektorin Fragen stellte, um zu überprüfen, was ihre Schülerin wusste und was nicht. So vergingen die zwei Stunden, die sie eingeplant hatten, wie im Flug, sodass Lilly überrascht zusammenzuckte, als die Sternenhüterin das Ende ihrer Zeit verkündete.
14
† L illy?«, rief Moni aus der Küche, wo sie gerade das Abendessen – Nudeln mit selbst gemachter Tomatensoße – vorbereitete, als sie das Haus betrat.
»Nein, der Weihnachtsmann!«, antwortete Lilly und zog ihre nassen Schuhe und den Mantel aus. Sie wollte in ihr Zimmer, um bis zum Einbruch der Nacht zu schlafen und ein bisschen Ordnung in ihre Gedanken zu bekommen. Kampfausbildung, Sternenbestien … Wie sollte man sich da auf ein normales Leben konzentrieren? Vor allem nagte noch die Frage an ihr, warum Raphael sie heute so dringend sehen wollte.
»Kein Grund, frech zu werden. Ich habe Marmorkuchen gebacken. Er ist noch warm.«
Sie seufzte. Wenn ihre Mutter buk, bedeutete es, dass sie mit ihr reden wollte, und die letzten Wochen gab es da nur ein Thema: Raphael. Sie nahm sich eine Tasse Kaffee, einen Teller und setzte sich an den breiten Küchentisch. Im Sommer hatten ihr die hellen Vorhänge und die gelben Schränke in der Küche noch gefallen, aber jetzt in der düsteren Jahreszeit wirkten sie so fehl am Platz wie ein Mädchen im Minirock im Tiefschnee. »Wann gibt es Abendessen?«, fragte sie und schnitt sich ein Stück von dem Marmorkuchen ab.
»Thomas kommt in einer Stunde, und Samuel ist bereits da.«
»So bald schon? Da kannst du mich später die Treppe hinaufrollen.«
»Du bist dürr genug.« Moni nahm sich ebenfalls eine Tasse und nahm neben ihr Platz, während die Soße vor sich hin köchelte. »Wir müssen reden.«
»Dachte ich es mir doch.«
»Ich habe in den Ferien akzeptiert, dass du nachmittags geschlafen hast, um dich später mit Raphael zu treffen, aber das muss aufhören. Er kann nicht von dir verlangen, dass du dein ganzes Leben nach ihm ausrichtest.«
»Das tut er nicht.«
»Ich weiß, dass du in ihn verliebt bist, aber du bist zu jung, um alles andere zu vernachlässigen. Du triffst dich kaum noch mit Freunden, schläfst zu wenig, deine Noten waren auch schon besser.«
Lilly zuckte zusammen. In der Schule hatte sie tatsächlich nachgelassen. Nicht nur dass der Unterricht am Internat anspruchsvoller als an einer normalen Schule war, aber es war schwierig, sich ausreichend aufs Lernen zu konzentrieren, wenn sie nur die Nächte mit ihrem Freund verbringen konnte.
»Und was ist mit dem Tanzen? Es hat dir doch immer so viel Freude gemacht. Nun habe ich jedoch den Eindruck, dass es für dich zur lästigen Pflicht geworden ist.«
Sie stopfte sich ein Stück Kuchen in den Mund, und ihre Mutter schaute sie ungeduldig an, während sie kaute. Das Spiel spielten sie seit der Grundschule, und Lilly liebte es, Moni auf diese harmlose Weise zur Weißglut zu bringen. »Warum kannst du ihn nicht einfach als meinen Freund akzeptieren?«
»Süße, ich akzeptiere ihn, aber ich kann nicht zulassen, dass sich dein ganzes Leben nur noch um ihn dreht.«
»War es bei Dad und dir denn anders?«, fragte sie und spielte mit dem schmalen Silberring an ihrer Hand. Er war der Verlobungsring ihrer Eltern gewesen.
»Trotz unserer Liebe hatten wir beide unser eigenes Leben. Dennoch hat mich sein Tod beinahe umgebracht.« Sie strich ihr über die Hand. »Ich möchte nicht, dass du das auch erleben musst.«
»Du kannst mich nicht vor allem beschützen.«
Moni lachte unsicher. »Ich kann es zumindest versuchen.«
Lilly umarmte ihre Mutter. »Ich liebe dich, aber lass mich meine eigenen Erfahrungen sammeln. Bitte.«
»Ich dich auch«, antwortete Moni und wischte sich eine Träne aus den Augen.
»Können wir das Thema für heute lassen?«, bat ich sie. »Es war ein anstrengender Tag.«
Moni ging zurück zum Herd und rührte erneut in dem Topf. »In Ordnung, aber du musst wissen, dass ich nicht glücklich damit bin.«
Als ob mir das entgangen wäre, dachte Lilly. Trotzdem genoss sie den Rest des Abends, an dem sie fast so entspannt wie früher mit ihrer Mutter plaudern konnte.
Lilly saß, eingewickelt in eine Decke und mit einer Wärmflasche unter dem Pulli, auf einer Bank am Rand der Lichtung. Dort stand die Hütte, die den Sternenseelen, die nicht das Internat besuchten, als Zuhause diente. Raphael hatte sie doch noch abgeholt, und sie waren Hand in Hand zur Ruine gewandert, nachdem sie sich heimlich nach draußen geschlichen
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