Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
Wasserkocher an. Mit dem Rücken zu ihr antwortete sie: »Ich werde Sie vor Beginn jeder Stunde abfragen – und zwar Ihr gesamtes Wissen. Am Ende werden Sie selbst im Schlaf noch die Fakten herunterbeten, und ich garantiere Ihnen, dass Sie es, selbst wenn Sie wollten, niemals aus Ihrem Gedächtnis verlieren werden.« Sie wartete, bis das Wasser kochte, gab in der Zwischenzeit etwas Tee in eine Kanne, den sie schließlich mit dem sprudelnden Wasser übergoss, bevor sie an ihren Platz zurückkehrte.
Lilly genoss derweil die Pause. Sie hatte sich die Ausbildung leichter vorgestellt, wie etwas, das man so nebenbei erledigte wie die Erste-Hilfe-Prüfung für den Führerschein, den sie endlich machen wollte. Was ihr die Sternenhüterin da schilderte, war dagegen extrem hart.
»Weitere Themen werden die Biologie der Sternenseelen und -bestien sein, ihre Stärken und Schwächen, Taktiken, die im Kampf verwendet werden können, Strategien, um sie zu entdecken, und natürlich werden Sie lernen, wie man die Sternenseelen am besten am Tag unterstützt, damit sie unbehelligt in der Gesellschaft leben können. Zudem habe ich mit Torge gesprochen, und er hat sich bereit erklärt, Sie im Kampf auszubilden.«
Ausgerechnet Torge? Sie dachte an den bärenhaften Jungen und stellte sich schaudernd vor, wie sie versuchte, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. »Warum nicht Raphael?«, fragte sie. »Wir verbringen ohnehin viel Zeit miteinander.«
»Weil er Sie niemals hart genug anfassen würde. Ein Aufschrei von Ihnen, und er würde vor Sorge von Ihnen ablassen. Torge wird nicht so viel Mitleid haben, ebenso wenig wie eine Sternenbestie, der Sie eventuell eines Tages im Zweikampf gegenübertreten müssen.«
»Als ob ich da eine Chance hätte«, murmelte Lilly. Sie hatte zu oft gesehen, wie stark und schnell sie waren. Dass sie die Begegnungen überlebt hatte, erschien ihr noch immer wie ein Wunder.
»Es gibt immer Hoffnung, und selbst wenn Sie sterben, können Sie vielleicht eine Bestie lange genug aufhalten, um ein anderes Leben zu retten.«
Sie sahen einander in die Augen, und mit einem Mal verstand sie die erfahrene Sternenhüterin, akzeptierte ihre Härte und Unnachgiebigkeit. Früher hatte sie es als leeres Gerede abgetan, wenn sie von der Bereitschaft sprach, sein Leben einzig in den Dienst der Sternenseelen zu stellen, aber nun erkannte sie, dass sie es vollkommen ernst meinte. Die Rektorin würde keinen Moment zögern, um sich zu opfern, wenn sie sich dadurch einen Vorteil versprach. Wer bereit war, so weit zu gehen, erwartete auch von anderen nicht weniger.
Würde sie jemals diesen Mut haben?, fragte sich Lilly. Wirklich zu kämpfen, Blut zu vergießen? Sie konnte es sich nicht vorstellen.
»Heute möchte ich Ihnen jedoch die Gelegenheit geben, mir ein paar Fragen zu stellen, die ich Ihnen nach Möglichkeit beantworte.«
Lilly riss erfreut die Augen auf. Raphael war oft genervt, wenn sie ihn mit Fragen löcherte. Sie hatte den Eindruck, dass er sich schämte, wenn er auf eine keine Antwort wusste, und ab und an weigerte er sich auch einfach, ihr zu antworten, was dann wie ein dunkler Graben zwischen ihnen stand. Es war schwierig, mit jemandem zusammen zu sein, der so vieles vor einem geheim hielt. Nur wo sollte sie anfangen? Die großen Zusammenhänge würden ihr ohnehin im Unterricht erläutert werden, also konzentrierte sie sich auf die banaleren Dinge. »Was hat es mit diesem Sternenstaub auf sich, und warum umgibt er die Sternenseelen nicht immer?«
»Keine schlechte Frage.« Sie goss sich von ihrem Tee ein, rührte etwas braunen Zucker ein und holte einen Keks aus der Dose. »Möchten Sie auch eine Tasse Kräutertee?«
Lilly lehnte dankend ab. Sie war kein großer Fan von Tee. Wenn schon ein Getränk, an dem man sich den Mund verbrennen konnte, dann doch Kaffee – der machte wenigstens wach.
»Diese Erscheinung stellt uns vor ein Rätsel. Mittlerweile vermuten unsere Forscher, dass es sich um fremdartige Partikel handelt, die mit einer bestimmten Strahlung, die von Sternen ausgeht, reagiert und dabei Energie in Form von Licht freisetzt.«
»Also eine weitere Art von Materie oder Energie, die ebenso wenig nachgewiesen ist wie die Existenz von Dunkler Energie und Materie«, sagte Lilly nachdenklich.
»So könnten Sie es sich vorstellen. Wenn Ihr Interesse in diesem Bereich stark ausgeprägt ist, können Sie im späteren Verlauf Ihrer Ausbildung einem unserer Wissenschaftler zugeteilt werden. Auch wir
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