Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
hatte. Zuerst hatte er sie jedoch beruhigen müssen. Es war nichts Schlimmes passiert. Die Gruppe Sternenjäger um Mikael hatte sich nur für den Abend angekündigt, und er wollte sie gerne dabeihaben. Madame Favelkap war offensichtlich einverstanden gewesen und erwartete am nächsten Tag einen Bericht, da sie selbst verhindert war.
Neben ihr schnürte sich Lea ihre schwarzen Stiefel, während sich auf der Wiese Raphael und Torge umkreisten. Sie trainierten fast jeden Tag, mal mit Waffen, mal ohne, und Lilly genoss den Anblick ihrer eleganten, kraftvollen Bewegungen, bei denen sie silbrige Schlieren aus Sternenstaub in der Luft hinterließen. Torge erinnerte in seiner Größe und Statur an einen Wikinger aus längst vergangenen Tagen, trotzdem war der Kampf zwischen ihm und Raphael, der dafür schneller und wendiger war, ausgeglichen.
»Dir liegt doch etwas auf dem Herzen?« Lea sah sie mit ihren mandelförmigen Augen an. Zwischen ihnen war eine Art Freundschaft entstanden. Während Shiori an nichts anderes als an Kampf dachte und Ras zu beschäftigt mit seiner Rolle als Anführer war, kümmerte sie sich um Lilly. Zudem waren sie etwa gleichaltrig.
»Ich musste daran denken, dass sich vielleicht wieder eine Sternenbestie an der Schule verbirgt. Wie kannst du mit dem Wissen leben, dass es Wesen gibt, die dir nach dem Leben trachten?«
Lea lehnte sich zurück und schürzte ihre Lippen. »Es gehört einfach dazu. Du könntest jederzeit von einem Auto überfahren werden, ein Einbrecher könnte bei euch eindringen, oder du könntest eine Krankheit bekommen. Trotzdem lebst du, ohne dir ständig Sorgen zu machen.«
»Aber das sind Dinge, bei denen wir keine Wahl haben. Du und Torge, ihr könntet davonlaufen und eure Zeit miteinander verbringen, statt euch mit Kampftraining, Waffen und Taktiken auseinanderzusetzen.«
»Wir haben darüber nachgedacht, aber es wäre Verrat. Wir haben es unseren Sternen zu verdanken, dass wir überhaupt leben und uns gefunden haben. Zudem bleibt uns nicht genug Zeit, um gemeinsam etwas aufzubauen. Bis wir Fuß gefasst haben, ist einer von uns tot.«
Lilly zuckte bei der Nüchternheit der Worte zusammen. Sie konnte sich immer noch nicht vorstellen, wie es sein musste, mit dem Wissen zu leben, dass man in wenigen Monaten sterben würde. »Aber gerade deshalb solltet ihr doch eure verbleibende Zeit genießen.«
Lea schüttelte den Kopf. »Wir haben nicht mehr viel zu verlieren. Wenn Felias, Ras oder Anni sterben, werden ihnen Jahrhunderte geraubt. Was sind dagegen schon ein paar Monate oder Jahre? Manchmal wünschte ich mir, dass mich die nächste Sternenbestie tötet, damit ich nicht erleben muss …« Ihre Stimme brach.
»… wie Torge stirbt«, beendete Lilly den Satz für sie. Wie schrecklich musste es sein, wenn man den Todestag des Liebsten kannte?
»Gibt es keine Möglichkeit herauszufinden, wer die Sternenbestie ist?«
Lea wischte sich über die Augen. »Vielleicht wissen die Jäger etwas, aber bis heute haben sie keinen Kontakt zu uns aufgenommen.«
»Warum seid ihr nicht zu ihnen gegangen?«
»Das Verhältnis zu den Jagdgruppen ist etwas angespannt. Sie halten uns für feige, weil wir nicht aktiv nach Sternenbestien suchen. Dabei ist unsere Aufgabe nicht weniger wichtig.«
Lilly dachte an Mikael. Auf sie hatte er überhaupt nicht wie eine arrogante Tötungsmaschine gewirkt.
Sie sah zu den Kontrahenten hinüber. Der Kampf war inzwischen heftiger geworden. Raphael sprang vor und attackierte Torge mit einer Reihe schneller Schläge auf sein Brustbein, doch der bärenartige Junge lachte nur, packte ihn an den Schultern und schleuderte ihn über die Wiese. Lilly hielt die Luft an. Sooft sie diese Kämpfe auch gesehen hatte, sie fürchtete trotzdem jedes Mal, dass Raphael verletzt werden könnte. Doch er drehte sich in der Luft und landete elegant auf den Füßen, wobei er, um den Sprung abzufedern, leicht in die Knie ging.
Auf einmal legte Lea den Kopf schief und schloss die Augen, als würde sie auf eine Stimme in ihrem Kopf lauschen. »Wir bekommen Besuch.« Sie sprang auf und rannte auf die Wiese, wobei sie Lilly mit sich zog.
In dem Moment traten die Stargazer zwischen den Bäumen hervor. Im hellen Mondlicht, das vom weißen Schnee zurückgeworfen wurde, und eingehüllt in den glitzernden Sternenstaub sahen sie wie magische Wesen aus einem kitschigen Hollywoodfilm aus. Das rote Haar des Bassisten, Lukel, ließ dessen Kopf aussehen, als stünde er in Flammen.
»Wir
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