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Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Titel: Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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teilten selbst ihre Körper ihnen mit, dass sie zusammengehörten. Sie sahen einander an. Der silbrige Stern um seine Pupillen ließ seine Augen im Wechselspiel mit dem Nachthimmel und den Reflexionen vom Schnee in hellem Limonengrün leuchten. Die Gewissheit, dass sie diesem Jungen alles anvertrauen konnte, breitete sich in Lilly aus. Das Band, das sie vereinte, würde für immer bestehen bleiben, er würde sie niemals verlassen. Mikael war für sie bestimmt.
    Erst jetzt begriff sie wirklich das Ausmaß ihrer Verbundenheit. Das war nichts, was man einfach so ignorierte. Es war etwas Tiefes, Ursprüngliches, das Tribut verlangte. Sie waren eine Seele in zwei Körpern, die danach strebten, sich erneut zu vereinen.
    Da trat er zurück, löste seine Hand von ihrer. »Tut mir leid. Das hätte ich nicht tun sollen.«
    »Nein!« Sie sah ihn verwirrt an, wusste das Durcheinander ihrer Gefühle nicht zu ordnen. »Es ist mein Fehler.« Ihre Stimme brach. Sie waren füreinander vorgesehen. Niemals würde er wieder ein anderes Mädchen lieben können. Nicht, solange sie lebte. Und hier stand sie und liebte einen anderen Jungen. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie.
    Er lächelte traurig. »Das muss es nicht. Wir haben uns unser Schicksal nicht ausgesucht. Du solltest bei Raphael bleiben. Ich bin nicht gut für dich.«
    »Sag so etwas nicht.«
    »Es ist die Wahrheit. Ich hätte niemals eine Sternenseele werden sollen.« Er sah auf einen unbestimmten Punkt in der Ferne. »Im achtzehnten Jahrhundert lebte ich ein einfaches, aber glückliches Leben im heutigen Schweden. Eines Tages wurde unser winziges Dorf überfallen. Sie hatten es auf das Vieh abgesehen, vielleicht hätten wir es ihnen sogar gegeben, wenn sie uns nur verschont hätten, aber sie waren aufs Töten aus. Ich erinnere mich noch an ihren Anführer – ein Hüne von einem Mann mit zotteligem rotem Haar, in ranzige Pelze gehüllt und einer Ausdünstung nach rohen Zwiebeln, die allein schon genügt hätte, um seine Gegner in Scharen fallen zu lassen. Zuerst trieben sie die Frauen zusammen, um sich später mit ihnen zu vergnügen, dann waren die Jungen dran. Sie schnitten ihnen einfach die Kehlen durch, vor den Augen ihrer Väter, wenn diese nicht ohnehin schon in ihrem eigenen Blut lagen. Als sie zu Jorge, meinem jüngeren Bruder, kamen, gelang es mir, mich loszureißen – bis heute weiß ich nicht, wie. Ich rannte zu ihm, ohne irgendeinen Plan. Ich wusste nur, dass ich seinen Tod verhindern musste. Der Hüne hatte die Klinge bereits über seinem Kopf erhoben, doch statt in seine Kehle stieß er sie nun in meine Brust.« Er holte zittrig Luft. Noch immer schienen ihn seine Erinnerungen gefangen zu halten, quälten ihn mit ihrer Intensität.
    Lilly sah die feine Ader an seiner Schläfe pulsieren, hörte das Pochen seines Herzens. Sie hob die Hand, um ihn zu trösten, nur um sie sogleich wieder fallen zu lassen. So würde sie es nur schlimmer machen.
    »Wenn man der Theorie Glauben schenkt«, fuhr er fort, »dass ein Mensch zur Sternenseele wird, wenn im Augenblick seines Todes eine energetische Verbindung zu einem Stern besteht, so wäre es eigentlich mein Bruder gewesen, der nun hier stehen müsste. Ich wollte ihn retten, und doch war ich es, der ihm seine Zukunft nahm. Als ich aufwachte, lag ich neben seiner Leiche.«
    »Glaubst du wirklich, dass solche Fehler passieren? Hörst du nicht auch das Singen der Sterne? Bei allem, was ich inzwischen weiß, vertraue ich ihnen, dass sie niemals den Falschen erwählen. Du warst von Anfang an derjenige, den Alkione wollte.«
    »Und wenn nicht?« Er zuckte mit den Schultern. »Was auch immer für uns vorgesehen ist – ich glaube an den freien Willen, dass unsere Entscheidungen unser Schicksal beeinflussen. Ich kann und will mich nicht damit herausreden, dass es so vorherbestimmt war. Ich habe meinen Bruder in den Tod geschickt, und seither versuche ich, seinen Platz auszufüllen, und scheitere jeden Tag daran. Er war der Beste von uns allen. So jung und doch so klug, mitfühlend und mit einem Verständnis für die Menschen und Tiere, das seinesgleichen sucht.« Er sah sie direkt an. »Deshalb kann ich dir keinen Vorwurf machen. Er sollte hier stehen, nicht ich.«
    »Das hätte auch nichts geändert. Ich liebe Raphael.«
    Seine Augen verdunkelten sich bei ihren Worten, aber sie sah keinen Tadel in ihnen, vielmehr Anteilnahme, als verstünde er, wie zerrissen sie sich in diesem Moment fühlte. »Vielleicht hast du recht,

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