Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
Linken, gefolgt vom Knirschen gefrorenen Schnees. Zuerst hielt sie es für ein Tier, das in der Eiswelt des Waldes nach Nahrung suchte, doch dann tauchte Mikael aus dem Dunkeln auf. Der Sternenstaub umwogte ihn in zarten Mustern, brachte die silbernen Ringe und Ketten, die er trug, zum Funkeln. Er war unbeschreiblich schön.
Ohne ein Wort zu sagen, setzte er sich vor sie und sah ihr tief in die Augen. »Ich will nicht am Ende meines Lebens stehen und wissen, dass das Mädchen, das für mich bestimmt ist, unsere Liebe einfach weggeworfen hat, nicht ohne zumindest um sie gekämpft zu haben. Kannst du mir in die Augen sehen und mir sagen, dass du mich nicht willst?«
Sie zögerte, senkte den Blick. Sie spürte, wie ihr ganzer Körper vor Verlangen nach ihm zitterte, wie sich ihre Seele ihm zu öffnen schien, aber sie gehörte nicht ihm allein. »Raphael«, hauchte sie.
»Wo ist er denn?«, fragte er mit neuer Härte, die sie zurückzucken ließ. »Er hat dich verlassen.«
»Das würde er nicht …« Zweifel brachten Lilly zum Verstummen. Er war fort. Wie lange durfte sie auf ihn warten? Wie lange würde Mikael warten? Warf sie ihre letzte Chance auf Glück gerade achtlos weg?
»So schlimm es für Lea und Torge ist, haben sie mir die Augen geöffnet. Was auch geschieht, sie haben einander und die gemeinsamen Erinnerungen. Was werden wir haben, wenn ich sterbe?«
Sie sah auf, ihre Blicke trafen sich. Der Stern um seine Pupillen ließ seine limonengrünen Augen erstrahlen, und eine unendliche Sehnsucht nach ihm bemächtigte sich Lillys.
»Wir sind füreinander bestimmt. Spürst du das nicht?«, flüsterte er heiser. »Wehr dich nicht dagegen.«
Während sich sein Kopf dem ihren langsam näherte, nahm die Spannung zwischen ihnen eine unerträgliche Intensität an, bis sie glaubte, es knistern zu hören und, wenn sie die Augen schloss, Funken sprühen zu sehen. Ihr Atem beschleunigte sich. Er war der perfekte Partner für sie, dennoch nagte das Wissen an ihr, dass es falsch war. Wie konnte er der Richtige sein, wenn da noch Raphael war? Der Junge, den sie geliebt hatte, bevor sich ihre ganze Welt verändert hatte. Derjenige, der sie wirklich kannte und liebte und nicht nur die Verbundenheit zweier Sterne widerspiegelte. Das zwischen Mikael und ihr war nicht echt. Es waren die Gefühle zweier anderer Wesen, die für sie so unbegreiflich waren wie der Mensch für einen Maikäfer. Und trotzdem beherrschte es ihr ganzes Sein. So schön das Sternenlied auch in ihrem Kopf klang. Sosehr sie die Liebe spürte, die es ausstrahlte, so genau wusste sie, dass ihr eigenes Herz noch immer für Raphael sang.
Dennoch brachte sie es nicht fertig zurückzuweichen, als sich Mikaels Lippen warm auf die ihren legten. Unwillkürlich schlang sie ihre Arme um seinen Nacken, spielte mit seinem weichen Haar. Ein Schauer der Erregung durchlief ihren Körper, als sich ihre Zungen trafen und sie die Süße seines Mundes schmeckte. Seine Hände strichen zart wie Schmetterlingsflügel über ihren Nacken, umfassten ihr Gesicht, bevor er sanft den Kuss beendete. »Ich wusste, dass du es ebenso spürst wie ich«, flüsterte er atemlos. »Wenn du bei mir bist, fürchte ich keine Prophezeiung. Mit dir an meiner Seite wird mich nichts besiegen.«
Sie zuckte zurück, legte ihre Hand auf seine Brust. »Ich kann dich nicht retten«, wisperte sie. Schuldgefühle übermannten sie, Tränen traten ihr in die Augen. »Ich bin die Falsche. Es tut mir leid.« Sie schluchzte auf, drehte sich um und stürmte los. Mikael versuchte noch, sie aufzuhalten, seine Finger strichen leicht wie Engelsfedern über ihre Haut, doch sie rannte weiter.
Wie sollte sie sich nur entscheiden? Gab es überhaupt eine Wahl? Es war vorherbestimmt, wen sie zu lieben hatte. Und Raphael? Empfand er noch etwas für sie? Sie wusste, dass das Auftauchen von Amadea ihn aus der Bahn geworfen hatte. War es ihr Schicksal, nie mehr wieder zusammenzufinden? Schuldbewusst dachte sie daran, dass sie sich geweigert hatte, ihm zu helfen, Amadea zu retten. Aber wie konnte er das auch von ihr erwarten?
Weil er genau dasselbe haben will, was du schon hast – seine vorherbestimmte Partnerin , flüsterte eine böse Stimme in ihrem Kopf. Es war alles erst in die Brüche gegangen, als sie sich in eine Sternenseele verwandelt hatte. Erst da waren Zweifel in ihm hochgekommen. Und wer konnte es ihm verdenken? Seine erste große Liebe, das Mädchen, das er geglaubt hatte, verloren zu haben, lebte noch. Er
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