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Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt

Titel: Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Pflieger
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die Wahrheit erfahren.

43
    † T orges Anblick schockierte Lilly, als sie zusammen mit Lea zur Ruine zurückkehrte. Die Mundwinkel hingen tiefer, kleine Lachfältchen hatten sich um seine Augen gebildet, sein Haar hatte von seinem Glanz eingebüßt. Er war noch weit davon entfernt, ein Greis zu sein, aber wie ein Teenager sah er nicht mehr aus.
    Trotzdem fiel Lea ihm mit einem Aufschluchzen in die Arme, und Lilly beneidete sie um die bedingungslose Liebe, die sie für ihren Freund empfand. Vor wenigen Tagen hatte sie noch geglaubt, dasselbe mit Raphael zu haben, aber nun war er fort.
    Betreten schaute sie die Sternenseelen an, die aus der Hütte und von der Trainingswiese zu ihnen kamen. Sie waren alle da – nur Mikael und Raphael fehlten –, und sie hatten eines gemeinsam: Sie wirkten angeschlagen und energielos. Die einen, weil einer ihrer Gefährten verschwunden und der andere vom Tod bedroht war, die Jäger, weil selbst sie Torges Schicksal nicht kaltließ, und wenn es auch nur daran lag, dass es sie an ihr eigenes erinnerte. Von einer kampfbereiten Gruppe, die es mit einer mächtigen Sternenbestie aufnehmen konnte, waren sie weit entfernt. Jeder war mit seinen eigenen Gedanken, Sorgen und Plänen beschäftigt.
    Über Torges und Leas Köpfe traf sich ihr Blick mit dem von Fynn, dessen blauschwarze Augen sie mit einem undeutbaren Ausdruck musterten, bis die beiden Liebenden sich zurückzogen und eng umschlungen in der Hütte verschwanden. Niemand folgte ihnen. Sie brauchten Zeit füreinander, selbst Shiori und Felias schienen das einzusehen.
    »Ich übernehme dein Training«, erklang Fynns Stimme direkt neben ihr. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, wie er zu ihr trat. Der Anführer der Stargazer erwartete von ihr, dass sie mit ihnen zog, sobald sie Lucretia vernichtet oder zumindest vertrieben hatten. Mikael war zu wichtig für sein Team, um ihn aufzugeben, und ohne Lilly würde er nicht ganz bei der Sache sein. Aber es machte ihr Angst, und sie konnte sich ein Leben, in dem sie ohne Heimat umherstreifte, nur mit dem Ziel, andere zu töten – immerhin gehörten die Körper der Sternenbestien einst unschuldigen Jugendlichen –, nicht für sich vorstellen. Noch viel weniger, da es sie von Raphael wegbrachte, auch wenn das vielleicht etwas Gutes hatte. Alles zurücklassen, ihn aus ihren Erinnerungen streichen und neu anfangen.
    »Heute nicht«, antwortete sie. Noch war sie nicht bereit, sich ihm zu fügen und ihn als Lehrer zu akzeptieren; es wäre nur ein weiterer Schritt weg von Raphael und hin zu einem Dasein, das sie sich nie gewünscht hatte. So ignorierte sie all seine Einwände, registrierte mit einer gewissen Genugtuung Shioris und Lukels überraschte Blicke und wandte sich dem Wald zu. Für heute hatte sie genug gesehen und wünschte sich einen Moment der Ruhe, um mit sich und ihren Gedanken in Einklang zu kommen. Die ständige Bedrohung und Zerrissenheit gaben ihr das Gefühl, den Blick für das Wesentliche einzubüßen und sich in einem Kampf, der nicht ihrer war, zu verlieren. Wann war es geschehen, dass sie sich von einem Mädchen, das alles tat, um ihren Stiefbruder zu retten, zu einer potenziellen Jägerin gewandelt hatte? Erst mit ihrer Wiedergeburt als Sternenseele, oder war es bereits vorher geschehen? Mit dem Beginn ihrer Ausbildung zur Sternenhüterin? Als sie in Ansgar erkannte, wie gequält und doch schrecklich die Sternenbestien in Wirklichkeit waren? Wie wenig Hoffnung es für sie gab?
    Gedankenverloren trabte sie durch den Wald, vorbei an Ästen, die der Nachtfrost mit schillerndem Eis bedeckte. Über die Spuren von wolligen Eichhörnchen und roten Füchsen hinweg. Die Gerüche des Waldes nach Harz und Schnee ebenso ignorierend wie die leisen Laute von Vögeln, die sie in ihrem Schlaf störte, wenn sie an ihnen vorbeieilte.
    Später saß sie auf einem Stein an dem Bach, an dem sie sich so oft mit Raphael getroffen hatte, und hing weiter ihren Gedanken nach. Sollte sie ihn aufgeben, sich dem Willen der Sterne beugen und sich ihrem Zwillingsstern hingeben? Er war gegangen. Es war ihr gutes Recht, nach vorn zu sehen und ihr neues Leben so zu gestalten, wie sie es wollte, aber es fiel ihr so unendlich schwer, ihn loszulassen. Wann immer sie davon geträumt hatte, eine Sternenseele zu werden, war Raphael an ihrer Seite gewesen. Nie hatte sie Zweifel daran gehabt, dass sie ihr Leben mit ihm verbringen wollte. Und nun?
    Ein Rascheln erklang zu ihrer

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