Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
Lilly die Stille. »Ich spüre das Band zwischen uns, und wenn er mich berührt, vibriert jeder einzelne Nerv in meinem Körper, doch ich kann Raphael einfach nicht vergessen.«
Lea zuckte mit den Schultern. »Er ist ebenfalls eine Sternenseele.«
»Vielleicht sollte ich ihn niemals wiedersehen.«
»Willst du das wirklich?«
Lilly nahm einen eisverkrusteten Tannenzapfen und warf ihn in den Bach. »Er hat mich bereits aufgegeben. Ich muss über ihn hinwegkommen.« Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter.
»Das kannst du nicht ernst meinen. Ich habe gesehen, wie er dich anblickt. Er hat dich nicht vergessen.«
»Und warum ist er dann verschwunden, redet mit dieser Amadea?«
»Was denkst du denn? Er glaubt, dich verloren zu haben. Er weiß, wie stark die Anziehungskraft zwischen Zwillingssternen ist. Es ist an dir, ihm zu zeigen, dass er dir noch nicht gleichgültig ist.«
»Was würdest du an meiner Stelle tun?«, seufzte Lilly.
»Das musst du mit deinem Herzen ausmachen. Nur du weißt, wen du wirklich liebst. Für mich ist es unvorstellbar, Torge zurückzuweisen. Das wäre, als risse ich ein Stück aus mir heraus. Doch wenn du dasselbe für Raphael empfindest … Denk aber daran, dass du Raphael eines Tages vielleicht vergessen kannst. Mikael wird jedoch, solange er lebt, in deinen Gedanken sein – die Verbindung zwischen euch vergeht nicht.« Sie sah Lilly mitleidig an. »Ich würde nicht mit dir tauschen wollen.«
Das Knirschen von Schnee unter Schuhsohlen kündigte das Nahen einer weiteren Person an. Lilly drehte sich um und erstarrte, als Raphael zwischen den Bäumen hervortrat. Er sah sie ebenso überrascht an wie sie ihn, doch fand sie als Erste die Sprache wieder. »Was machst du denn hier?« Sie unterdrückte das Beben in ihrer Stimme, wollte um jeden Preis stark erscheinen und sich nicht anmerken lassen, wie sehr er sie verletzt hatte. Aber was machte sie sich vor? Weder war sie stark noch eine Kämpferin. Sie war die Falsche. Für jeden. Für Raphael, der einem anderen Mädchen gehörte. Für Mikael, der einen besseren Zwillingsstern verdiente. Und erst recht sollte sie keine Sternenseele sein. Sie war weder eine Kriegerin wie Shiori noch die Seele einer Gruppe wie Anni.
Lautlos stand Lea auf. »Ich lasse euch allein. Ihr habt viel zu besprechen.«
Aus den Augenwinkeln registrierte Lilly, wie ihre Freundin tiefer in den Wald hinein verschwand. Betrübt starrte sie ihr hinterher. Sie ging Torge aus dem Weg. Sosehr sie ihn auch liebte, ging sie ihm doch aus dem Weg. Sie ertrug es nicht, ihn altern zu sehen. So viel Leid. Wie sollte man da an die Liebe der Sterne glauben? Verstanden sie das Sternenlied falsch – interpretierten sie zu viel hinein?
»Ich schulde dir eine Erklärung«, sagte Raphael tonlos. »Ich hätte nicht einfach so verschwinden dürfen.«
»Was gibt es da zu erklären?«, fragte Lilly. »Dein Zwillingsstern ist zurück, und du hast dich für sie entschieden.«
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »So siehst du das? Dass ich mich entschieden habe? Du bist für einen anderen bestimmt. Ich habe dich an deinem ersten Abend als Sternenseele zusammen mit Mikael gesehen.«
Unter seinem anklagenden Ton zuckte Lilly zusammen, als sie sich an Mikael Kuss erinnerte.
»Ihr gehört zueinander«, fuhr er fort. »Was soll ich mich dazwischenstellen?«
»So einfach ist es für dich? Thema abgehakt?«
Verletzt blickte er sie an. »Was für eine andere Wahl habe ich denn? Sehe ich glücklich aus? Stünde ich hier, wenn ich dich vergessen hätte?«
»Du warst bei Amadea!«, klagte sie ihn an. »Wie oft hast du dich mit ihr getroffen?«
Er wich ihrem Blick aus, und das war ihr Antwort genug. »Du hast dich entschieden. Für sie.«
»Ich will sie retten. Kannst du das nicht verstehen? Sie war einst eine Sternenseele. Wir können sie doch nicht ihrem Schicksal überlassen. Nicht nur, dass wir mit ihrer Hilfe erfahren können, was Lucretia plant, sie ist auch noch eine von uns und leidet.«
»Sie hat mich getötet!«
»Ich weiß.« Er raufte sich die Haare. »Es ist alles so kompliziert. Aber kannst du mich nicht verstehen? Du hast alles riskiert, um Samuel zu retten. Sie ist mein Zwillingsstern.«
Lillys Magen krampfte sich zusammen. »Das habe ich nicht vergessen. Wie soll es denn dann mit uns weitergehen? Was passiert, wenn du sie rettest?«
»Ich weiß es nicht.« Er senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Du solltest bei Mikael sein.«
»Und doch stehen wir
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