Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
wies Fynn seinen Gefährten zurecht.
»Wir sollten abwarten«, sagte Ras.
»Wie lange denn? Noch nie waren wir ihr so dicht auf den Fersen. Wir müssen die Gelegenheit nutzen, um sie zu vernichten.«
»Wir wissen doch nicht mal, in welcher Gestalt sie sich verbirgt«, wandte Lilly ein.
Beim Klang ihrer Stimme richteten sich die Härchen in Raphaels Nacken auf. Er erinnerte sich, wie sie ihm heiße Liebesschwüre und zarte Liebkosungen ins Ohr geflüstert hatte. Wie sehr er sie vermisste!
»Samuel sammelt Hinweise«, fuhr sie fort. »Wenn wir ihm mehr Zeit geben, wird er herausfinden, wer Lucretia ist, und wir können ihr eine Falle stellen.«
»Er ist ein Mensch«, schnaubte Fynn. »Auf ihn ist kein Verlass.«
»Er soll ein Sternenhüter werden!«
»Aber noch ist er keiner, und wenn selbst Madame Favelkap keine Anhaltspunkte hat, wie soll es da dein Bruder schaffen?«
Lilly senkte den Blick, funkelte den Anführer der Stargazer aber durch halb geschlossene Lider wütend an. Auch sie schien ihre eigenen Pläne zu verfolgen wie so ziemlich jeder in diesem Raum.
48
† K aum war die Versammlung beendet, stürmte Lilly nach draußen zu ihrem vertrauten Platz am Bach. Sie hätte es keine Minute länger in der Hütte ausgehalten. Nicht in Raphaels Nähe. Sie wollte nicht hören, dass das Mädchen tatsächlich sein Zwillingsstern war, dass er sich mit ihr getroffen hatte. Brennende Eifersucht fraß sich in ihr Herz.
Sein Zwillingsstern, oder was auch immer von ihr übrig war, hatte sie getötet und ins Unglück gestürzt, dennoch sprach er von ihr, als müsse sie gerettet werden. Sie ballte die Hände. Zum ersten Mal verspürte sie kaum einen Skrupel bei dem Gedanken daran, jemanden zu töten.
Schnee fiel in einer weißen Woge von einer Tanne herab, als sich Lea ihr von hinten näherte, und tauchte die Nachtluft in ein glitzerndes Funkeln. »Alles in Ordnung?« Das Mädchen lachte bekümmert auf. »Was für eine dumme Frage! Entschuldige. Bei dir ist sicher alles genauso in Ordnung wie bei mir. Nämlich gar nicht.«
Traurig sah Lilly zu ihr auf und schämte sich für ihren Gefühlsausbruch. Was war schon ihre Eifersucht und innerliche Zerrissenheit im Vergleich zu Leas Schicksal? »Warst du schon mal in jemanden verliebt, bevor du zur Sternenseele wurdest?«
Lea kniete sich an den Bach und tauchte ihre Finger in das klare Wasser, das den Sternenstaub in feine Schlieren und Strudel riss. »Er hieß Lars.« Sie lächelte wehmütig. »Furchtbarer Name. Wir waren das Traumpaar an der Schule, seit zwei Jahren zusammen, und ich war hoffnungslos in ihn verliebt. Kein anderes Pärchen war so lange zusammen. Selbst unsere Eltern begannen bereits, Hochzeitspläne zu schmieden.«
»Und dann?«
»Ich starb und musste ihn verlassen.«
»Hättest du nicht bei ihm bleiben können, ihm die Wahrheit sagen?«
Lea schüttelte abwehrend den Kopf. »Bei mir war es nicht so wie bei dir. Ich wusste nicht, was mit mir geschah, als ich mich verwandelte. Ich hatte zu dem Zeitpunkt noch nie etwas von Sternenseelen und -bestien gehört. Ich war vollkommen allein, als ich erwachte. Ein einzelner Jäger, der ein Bruder von Fynn sein könnte, völlig ohne Mitgefühl, fand mich und drohte, jeden zu töten, den ich einweihen würde. Da habe ich mich gefügt. Ich bin nicht so eine Kämpfernatur wie du.«
Ich soll eine Kämpferin sein? Beinahe hätte Lilly gelacht, so absurd erschien ihr der Gedanke. »Und was wurde aus Lars?«
»Torge fand mich, und als ich ihn sah, wusste ich, dass er all das war, was ich immer wollte. Aber natürlich konnte ich Lars nicht ganz vergessen, doch es waren mehr Schuldgefühle, die mich dazu trieben, eines Nachts in sein Zimmer zu spähen. Ich hatte mit einem Brief Schluss mit ihm gemacht. Es muss ihn wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel getroffen haben. Als ich ihn jedoch vor mir sah, waren meine Gefühle für ihn nichts im Vergleich zu dem, was ich für Torge empfand und bis heute fühle.«
»Du konntest ihn einfach so vergessen?«
»Das nicht, aber wenn ich mit Torge zusammen bin, dann ist es, als schwebte ich auf Wolken.«
Genau so habe ich mich mit Raphael gefühlt, dachte Lilly.
»Die Vorstellung, ihn zu verlieren, bringt mich um.« Lea schnappte nach Luft. »Wie soll ich das ertragen?«
Lilly legte einen Arm um ihre Freundin, als diese aufschluchzte. Eine Weile saßen sie schweigend in der Dunkelheit und hingen ihren Gedanken nach. »Warum ist es bei mir und Mikael nicht so?«, durchbrach
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