Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
er seine Gedanken gelesen.
Ras hob abwehrend die Hände. »Auf keinen Fall. Wir sind hier, um ihren Schlaf zu bewahren, und nicht, um ihn zu stören.«
»Sie ist hier?«, stieß Lilly hervor. »Deswegen lebt ihr an diesem Ort?« Ihr Blick sprach Bände über ihre Kränkung, dass man sie bisher nicht darüber informiert hatte.
Es war Anni, die zum ersten Mal an diesem Abend die Stimme erhob und damit die unangenehme Stille durchbrach, die schwer wie eine Gewitterwolke über ihnen hing. »Nicht weit von unserem Lager entfernt befindet sich eine weitere Ruine, nur dass sie unterirdisch liegt und viel älter ist. Dort ruht Andromeda.«
»Wer hat diese Ruine errichtet? Und warum ist sie ausgerechnet hier?«
»Nicht jetzt«, würgte Fynn ihre Fragen grob ab. »Unsere Entscheidung steht fest.«
»Wenn wir sie zu früh wecken, stirbt sie womöglich«, wandte Ras ein.
»Und wenn wir sie schlafen lassen, erringen die Sternenbestien eventuell den endgültigen Sieg über uns. Wollt ihr dieses Risiko eingehen?«
»Wir wissen nicht einmal, was sie plant.«
»Was auch immer es ist, es kann nichts Gutes sein. Was glaubt ihr denn, warum sich ihre Helferin so offen zeigt, wieso es uns gelang, ihre Spur so weit zu verfolgen? Sie ist kurz davor, ihre Pläne real werden zu lassen, und wir müssen das verhindern. Wir müssen sie töten.«
»Und wir müssen Andromeda beschützen.«
Die beiden Jungen starrten sich erbittert an, keiner bereit, auch nur einen Zentimeter zurückzuweichen.
»Versucht, uns aufzuhalten«, spottete Lukel. »In zwei Tagen wird Andromeda hoch an einem sternenklaren Himmel stehen. Das sollte ihr ausreichend Kraft geben, unbeschadet zu erwachen.«
»Das könnt ihr nicht machen!«
Anni legte besänftigend eine Hand auf Ras’ Arm. »Vielleicht haben sie recht. Mir gefällt nicht, was hier vor sich geht. Erst dieser Ansgar und dieses verfluchte Amulett, dann taucht Amadea als Mischwesen auf, und wir haben keine Ahnung, was Lucretia alles vermag. Wie sollen wir sie jemals besiegen, wenn alle diese Fähigkeiten erhalten? Wir müssen sie aufhalten, ganz gleich, wie hoch der Preis sein mag.«
Ras schüttelte den Kopf. »Das ist ein Fehler.«
Raphael öffnete den Mund, um ihm zuzustimmen, brachte aber keinen Ton hervor. Zu sehr war er noch immer von der Nachricht schockiert, dass Amadea ein Hybrid aus Sternenseele und Sternenbestie war. Es hatte eines magischen Amuletts und eines gewaltigen Opfers bedurft, um Samuel von der Bestie zu befreien – was war nötig, um Amadea zu retten? Zugleich ballte er voller Wut seine Hände zu Fäusten. Wie konnten die Stargazer es wagen, ihnen solche wichtigen Informationen vorzuenthalten, als wären sie kleine Kinder, die die Wahrheit nicht ertrugen. Arrogante Bastarde.
»Andromeda verlangte, dass wir sie wecken, wenn Not herrscht«, sagte Shiori. »Wir brauchen sie, also tun wir es.«
»Ich wusste nicht, dass du jetzt die Entscheidungen triffst«, bemerkte Ras.
»Einer muss es ja tun.«
Selbst Felias zuckte bei ihren Worten zusammen. Die Kluft zwischen ihnen vergrößerte sich immer mehr.
Raphael schluckte trocken. Ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus, ließ seine Kehle verdorren. Annis Worte klangen logisch, aber seine Intuition sagte ihm, dass es ein Fehler sein würde, Andromeda zu wecken. Sie würden alles nur noch schlimmer machen. »Ich stimme Ras zu. Wir sollten das nicht so leichtfertig entscheiden. Noch wissen wir gar nichts. Weder können wir auch nur erahnen, was Lucretia plant oder wie weit sie noch von einem Erfolg entfernt ist. Außerdem werden wir vielleicht auch ohne Andromedas Hilfe mit ihr fertig. Im Gegenzug riskieren wir, die mächtigste Sternenseele zu verlieren.«
»Du hast doch nur Angst, dass sie dein ehemaliges Liebchen vernichtet«, höhnte Lukel, und Raphael verspürte den unbändigen Drang, sich auf ihn zu stürzen. Fest umklammerte er die Tischplatte. Seine Worte trafen ihn umso härter, da sie ins Schwarze trafen. Andromeda war so alt, so weit vom menschlichen Leben entfernt, dass ihre Entscheidungen oft seltsam anmuteten, trotzdem ließ sie sich von einem einmal gefassten Entschluss nicht mehr abbringen. Zudem war sie stark – es gab Legenden, wie sie allein im Kampf gegen sieben Sternenbestien bestand und sie alle vernichtete –, Amadea hätte keine Chance, ihr zu entkommen, sollte sie ihren Tod wünschen. Andromeda war wie eine mächtige Waffe, die man niemals hundertprozentig kontrollieren konnte.
»Das war unnötig«,
Weitere Kostenlose Bücher