Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
ist, gehen wir fort. Weit weg an einen anderen Ort und fangen neu an.«
Traurig blickte er sie an. Wie konnte sie das von ihm verlangen? Er liebte sie, aber er wusste auch, dass er weder ihr noch sich selbst jemals verzeihen würde, wenn er Amadea im Stich ließ. Die Verbindung zwischen ihnen war nur ein kurzes Aufblitzen gewesen, trotzdem hatte ihn das Gefühl dieser engen Verbundenheit, der Zusammengehörigkeit nie verlassen. Er durfte sie nicht verraten. »Es tut mir leid, Lilly«, flüsterte er. »Ich hoffe, du verstehst es eines Tages.«
Sie krümmte sich zusammen, und er spürte ihren Schmerz, als wäre es sein eigener.
»Ich ertrage das nicht«, weinte sie.
Auch ihm traten Tränen in die Augen. Wie sehr er sie liebte. Doch es musste sein. Er konnte nur darauf hoffen, dass sie noch da sein würde, wenn er die Angelegenheit mit Amadea geklärt hatte. Es fiel ihm schwer, es sich einzugestehen, aber er war der Überzeugung, dass ihre Liebe nur dann stark genug wäre, um alles andere bewältigen zu können. Noch immer übermannte ihn die Fassungslosigkeit, wenn er daran dachte, dass seine Lilly einem anderen gehörte. Dass Mikael für sie bestimmt war, dass er derjenige war, dem es zustand, ihre Lippen zu küssen und ihre Sorgen in sich aufzunehmen. Mikael – nicht er. Was für bittere Scherze das Leben doch manchmal für einen bereithielt.
»Du hast deinen Zwillingsstern«, raunte er ihr zu.
»Geht es wieder darum?« Sie sprang auf, bebte vor Zorn. »Um Mikael? Zweifelst du daran, dass wir füreinander bestimmt sind?«
»Ich weiß es nicht.« Er schüttelte den Kopf und senkte seinen Blick zu Boden. Er ertrug den Schmerz nicht, den seine Worte bei ihr auslösten. »Wenn es so wäre, warum haben die Sterne andere Partner für uns ausgewählt?« Bei ihrem entsetzten Keuchen wünschte er sich, er hätte seine Gedanken für sich behalten, aber die Zweifel nagten an ihm. Etwas war nicht so, wie es sein sollte, doch er wusste nicht, was. Was war richtig, was falsch? Hatten sie sich nur in etwas verrannt? War sie nur seiner für Menschen nahezu unbegreiflichen Schönheit und Magie erlegen? Hatten ihn Einsamkeit und Sehnsucht nach Nähe in ihre Arme getrieben, oder war es doch mehr?
Auf der anderen Seite fragte er sich, ob es fair von ihm war, von ihr zu verlangen, ihren Zwillingsstern zu verleugnen. Mikael war besser für sie geeignet, konnte sie besser beschützen. Er war stärker, mächtiger und erfahrener. War es nicht nur reiner Egoismus, der ihn dazu trieb, sie an sich zu binden? Die Schmerzen in seinem Herz raubten ihm den Atem. Für einen Moment glaubte er zu ersticken.
»Es war doch nicht meine Schuld«, schluchzte sie. »Ich habe es nicht so gewollt.« Sie sank auf den Boden und vergrub ihren Kopf in den Händen.
»Ich weiß.« Er ging neben ihr in die Knie, schlang seine Arme um sie und drückte kleine Küsse in ihr Haar. Für einen Moment war da wieder die Verbundenheit zwischen ihnen, die jeden Zweifel an der Wahrhaftigkeit ihrer Liebe vertrieb. Er genoss die Weichheit ihres Körpers, ihren blumenhaften, weiblichen Geruch und das kräftige Schlagen ihres Herzens.
»Ich liebe dich«, sagte Raphael. »So sehr, dass jeder Atemzug ohne dich schmerzt. Aber ich will, dass du glücklich bist.«
Lillys Augen füllten sich mit Tränen. »Nicht«, flüsterte sie. »Bitte.«
Er strich ihr sanft über die Wange. Ein Schauer durchlief sie bei der vertrauten Berührung.
»Ich muss dich gehen lassen. Mikael ist dein Schicksal, und ich will deinem Glück nicht im Weg stehen.« Er beugte sich vor und küsste sie auf den Mund. Voller Zärtlichkeit und Schmerz zog er sie an sich.
Lilly klammerte sich an ihn, fürchtete den Moment, an dem er sie wieder loslassen würde. Das durfte nicht ihr letzter Kuss sein. Unter ihren geschlossenen Lidern sammelten sich die Tränen, rannen ihre Wangen hinab. Unter seinen Händen verblasste Mikael zu einer Erinnerung, und sie verlor sich ganz in ihrer Liebe zu Raphael, dem Jungen, von dem sie geglaubt hatte, für ihn bestimmt zu sein.
Sanft löste er sich von ihr, doch sie war nicht bereit, ihn gehen zu lassen, und vergrub ihren Kopf in seiner Halsbeuge. »Ich liebe dich.«
»Das genügt nicht«, sagte er mit brüchiger Stimme. »Dein Schicksal liegt bei einem anderen.«
54
† A llein stand sie vor dem Bett, in dem sie sich vor wenigen Tagen, die scheinbar ewig zurücklagen, geliebt hatten. Wie undankbar sie damals gewesen war, dachte sie. Sie hatte alles gehabt. Einen
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