Sternenseelen Bd 2 - Solange die Nacht uns trennt
sie sie berühren konnte, hielt Lea sie auf. »Nicht. Das ist Mikaels Aufgabe.«
Beschämt zog sie ihre Hand zurück und sah zu ihrem Zwillingsstern hinüber, auf dessen Gesicht sich widerstreitende Gefühle abzeichneten. Was mochte er gerade empfinden? Mit Andromedas Auferstehung wurde sein prophezeiter Tod für ihn sicher noch realer, doch auf der anderen Seite war er durch und durch Krieger. Vermutlich dachte er nur an die Chance, Lucretia für immer zu vernichten, die sich ihnen hier bot. Aber als sie ihn genauer studierte, bemerkte sie die Anspannung in seiner Haltung. Ganz kalt ließ ihn die Situation offensichtlich nicht. Er beugte sich vor, flüsterte der uralten Sternenseele etwas ins Ohr, das Lilly nicht verstand, bis ein Zucken durch deren Körper lief. Daraufhin folgte ein Augenblick der Stille, die Mikael nutzte, um sich auf respektvolle Distanz zurückzuziehen. Plötzlich erklang eine etwas raue, weibliche Stimme in Lillys Kopf. »Lange ist es her, dass mich jemand besuchte. Ich sehe vertraute Gesichter und eine Neugeborene.«
Lilly zuckte zurück, erwog kurzzeitig, einfach davonzurennen, aber dann zwang sie sich stehen zu bleiben. Auch wenn es gruselig war, eine fremde Stimme im Kopf zu hören, war es doch genau das, weshalb sie hierhergekommen waren.
»Warum habt ihr mich geweckt?«
Es war seltsam, mit einer reglos daliegenden Person zu sprechen, vor allem, da in der Stimme ein Alter und eine Weisheit lagen, die nicht zu dem jungen Mädchen passen wollten.
»Lucretia ist eingetroffen. Sie plant etwas. Wir sind nicht sicher, ob wir dich noch länger schützen können«, erklang Mikaels Stimme nun auch in Lillys Kopf. »Es hat den Anschein, dass sie eine Art Mischwesen aus Sternenseele und Bestie erschaffen hat.«
»Schlechte Kunde bringt ihr mir. Bist du bereit, Mikael?«
Der Junge nickte selbstsicher. »Ich habe mein Schicksal angenommen«, antwortete er fest.
»Gibt es nichts, was dich auf der Erde hält?«
Kurz sah er zu Lilly hinüber, Unsicherheit überzog seine Züge ebenso schnell, wie sie verschwand. »Nichts, was es wert wäre, meine Pflicht zu vergessen.«
»So soll es sein.« Aus der Stimme der Uralten ließen sich keine Gefühle ablesen. Es war nicht so, dass sie mitleidlos wirkte oder frei von Emotionen, aber alles schien ausgeglichen zu sein, als ob es für jedes Leid ein Äquivalent an Freude gäbe.
Wie in Zeitlupe hob das Mädchen einen ihrer feingliedrigen Arme, reckte ihn der silbrigen Kugel an der Decke entgegen, bevor sie sich langsam aufrichtete.
Aus der Kugel löste sich eine kleinere, die in hellem Licht erstrahlte, während sie langsam hinabglitt, direkt in Andromedas ausgestreckte Hand. Sobald die Kugel ihre Haut berührte, erlosch das Licht, und eine silberne Kette kam zum Vorschein, an der eine ovale Platte aus schwarzem Stein hing. Sie legte sich die Kette um den Hals, dann stand sie auf, und sie machten sich an den beschwerlichen Weg zurück an die Oberfläche.
52
† S chon von der Treppe aus hörten sie die Kampfgeräusche. Mikael hob die Hand und bedeutete ihnen, stehen zu bleiben und die Taschenlampen auszuschalten. Nur seine spendete ein wenig Helligkeit.
»Was geht da oben vor sich?«, wisperte Lea.
»Eine Falle«, vermutete Anni. »Lucretia wollte, dass wir Andromeda erwecken, und ist uns gefolgt.«
»Was auch immer«, brachte Mikael sie zum Schweigen. »Wir müssen uns schnell entscheiden, was wir tun. Helfen wir ihnen, kehren wir um und verbergen uns in der Ruine, oder ergreifen wir die Flucht nach vorn?«
»Wie kannst du das nur fragen?«, empörte sich Lilly. »Das sind unsere Freunde, die da kämpfen.«
»Und wir haben keine Zeit für eine Grundsatzdiskussion. Andromeda ist wichtiger als wir alle zusammen.« Besorgt betrachtete er das zarte Mädchen, das sich erschöpft gegen die Wand lehnte.
Lilly empfand eine leichte Enttäuschung. Das sollte die mächtige Sternenseele sein, die es mit Lucretia aufnehmen konnte? Sie hatte sie sich beeindruckender vorgestellt und irgendwie geglaubt, dass sie erwachen und alles richten würde. Und nun saßen sie in einer unterirdischen Ruine fest. »Gemeinsam mit den anderen sind unsere Chancen am besten. Wenn sie erst hier eindringt, gibt es kein Entrinnen für uns.«
Anni strich nachdenklich über die eintätowierte Nummer an ihrem Handgelenk. »Wir sollten uns aufteilen. Mikael, Lilly, ihr flüchtet mit Andromeda. Lea und ich kämpfen.«
»Nein«, widersprach Mikael. »Wenn, dann flieht ihr.«
»Auf
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